Diese vier Komplexe sollten von ihrem inneren Zusammenhang her verstanden werden.
Gliederung:
- Die Horde der Vorzeit
- Liebe und Aggression
- Die Einheit von gesellschaftlicher Produktivität und Sexualität
- Liebe als individuelles Ereignis
Fangen wir in ganz ferner Vorzeit an, ausgehend von der Annahme, dass so etwas wie die Horde ein gängiges Gesellschaftsschema war – ein Kollektiv von vielleicht einigen Dutzend Menschen, die ständig zusammenleben und sich durch gemeinsames Jagen, Fischen und Sammeln, Schaffung von Unterkünften etc. am Leben halten. Die Erträge der kollektiven Jagd werden kollektiv verfressen Der Nachwuchs entsteht in bunten Paarungen; man darf annehmen, dass in der Regel eine Frau mit mehreren Männern verkehrt und umgekehrt, dass auch Beziehungen zwischen Bruder und Schwester nicht ungewöhnlich sind usf. Ferner dürfte die Fürsorge für den Nachwuchs vorwiegend kollektiver Art gewesen sein – mehrere Mütter kümmern sich gemeinsam um den Kinderhaufen. Die Produktion neuer Menschen ist hier nicht Sache fester Paare oder Einzelpersonen. Der Vater ist in alten Zeiten anscheinend zumeist personell unbestimmbar gewesen und die mütterlichen Aufgaben des Stillens etc. dürften nicht selten zwischen mehreren Frauen geteilt worden sein. Die Gruppe als ganze dürfte in hohem Maße kollektiv ernährt worden sein durch die Jagdbeute der Männer und geschützt durch deren Wehrhaftigkeit[1].
Meine Annahme geht dahin, dass sowohl in der Produktion des Lebensunterhalts wie auch in der Produktion des Nachwuchses oder allgemeiner: in der Sexualität sich das Wesentliche kollektiv abspielt; alle Mitglieder solcher relativ urtümlicher kleiner Gesellschaften sind durch die elementaren Notwendigkeiten des Überlebens engstens miteinander verbunden.
Liebe und Aggression
Soziale Verbundenheit, sozusagen nach innen, ist hier engstens gekoppelt an Aggressivität und Tötung nach außen. Das kann bei der Besinnung auf urtümliche elementare Verbundenheit nicht außeracht gelassen werden. Manche Schilderungen vorgeschichtlicher Formen betonen die interne Gleichheit und Gleichberechtigung, den inneren Frieden und den Mangel an Egoismus der Mitglieder. Jedoch sind solche relativ elementaren Gesellschaftsformen nicht weniger auch geprägt durch die prinzipielle Aggressivität und Gewalttätigkeit zunächst einmal gegenüber den gejagten Tieren, aber auch gegenüber anderen Gruppen von Menschen.
Möglicherweise ist Aggressivität fundiert in der Konkurrenz um knappe natürliche Ressourcen (Jagdgebiete, Wasservorkommen… ). Produktivität/Verbundenheit und Wärme einerseits, Aggression andererseits sind vermutlich gleichermaßen existentiell erforderlich gewesen in alten Zeiten. (Die Aggressivität wird dann historisch zunehmend auch zum Werkzeug der sich herausbildenden Eliten, sowohl die Aggressivität gegenüber den Untergebenen wie auch gegenüber den „Anderen“ – anderen Gesellschaften.
In unserer Zeit eröffnen sich jedoch Möglichkeiten, weltweit mehr Verbundenheit zu praktizieren und der Aggressivität nach und nach den Abschied zu geben.)
Ich mache hier einen Sprung in die neuzeitliche Gesellschaft, ohne zu vergessen, dass zu unserem Selbstverständnis ein gewisses Maß an Bewusstsein der unterschiedlichsten Entwicklungen gehören muss, der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Entwicklungsformen, Misch-, Zwischen- und Übergangsformen, die ich hier übergehe.
Die Einheit von gesellschaftlicher Produktivität und Sexualität
Meine These:
Die eingangs skizzierte urtümliche Einheit von Sexualität und sonstiger Produktion, beide elementar Verbundenheit erfordernd und stiftend, hat mE zwar heute ihre ursprüngliche Sichtbarkeit, ihre Evidenz für viele Menschen verloren, in meinen Augen jedoch nicht ihre Gültigkeit. Diese Einheit stiftet das, was wir eigentlich unter Glück verstehen bzw. zu verstehen wieder lernen sollten.
Für viele Menschen ist heute die Produktion des Lebensunterhalts aufgrund langer historischer Entwicklungen unendlich mehr vergesellschaftet und gleichzeitig enorm entfremdet im Vergleich zu ursprünglicheren Gesellschaftsformen. Man arbeitet, um die individuelle Existenz bezahlen zu können. Der Zusammenhang der individuellen Arbeit mit dem Wohl der Gesamtheit rückt immer mehr aus dem Blick (und darüberhinaus gibt es tatsächlich auch nicht wenige Arbeiten von ausgesprochen gesellschafts- und verbundenheits-schädlichem Charakter, oder z.B. sog. bullshit jobs). Die individuelle Arbeit bildet einen bestimmten relativ abgegrenzten Bereich des individuellen Lebens, während die Sexualität ein elementar anderer zu sein scheint. Zusätzlich setzte diese sich vielfach von der Produktion von Nachwuchs ab. Die Sexualität wird trotzdem mit enormen Glückserwartungen aufgeladen, scheint sie allerdings unter den Bedingungen universeller Entfremdungen eher nicht erfüllen zu können.
Im Folgenden habe ich vor allem das sexuelle Glück oder anders herum ausgedrückt: die sexuelle Frustration im Blick. Das bedeutet aber nicht etwa, dass hier der Hauptort möglichen Glücks zu finden wäre. Der Ort des Glücks ist in meinen Augen ein Zusammenleben, in dem sowohl die sexuellen und erotischen Verbindungen wie die Verbindungen in der Produktion des Lebensunterhalts und der Gestaltung des Gemeinwesens sich entwickeln und einander ergänzen.
Vlt. lässt die oft extreme Entfremdung in der „Arbeit“ den Menschen die Sexualität als den – scheinbar wesensmäßig entgegengesetzten – Bereich einer ersehnten, aber oft verstellten Spontaneität und Natürlichkeit suchen. Vlt. suchen wir in der Sexualität untergründig auch und noch immer diese elementare Produktivitäts-Verbundenheit.
Liebe als individuelles Ereignis
In der modernen Liebe kommen allerdings auch wesentliche kulturelle Entwicklungen zum Tragen, die es so früher wohl nicht oder eher nur selten gegeben zu haben scheint: das hochindividuelle Verhältnis zweier sehr individueller Personen. In der modernen Liebe kombinieren wir mE zwei Hauptelemente: die triebhafte lustvolle Aktivierung der elementaren biologischen Produktivität und die oft hochgradig individuellen Beziehungen, zu denen unser gesamter kultureller Hintergrund uns nach und nach disponiert hat. Mag die biologische gesellschaftliche Produktivkraft auch vielleicht in vielen Fällen nur noch als Potentialität erahnt werden, wenn überhaupt – wahrscheinlich von Frauen eher als von Männern:- unvermeidlich klingt sie meiner Meinung nach in der Sexualität doch an, auch wenn die Beteiligten das vielleicht nicht einmal wollen, nicht empfinden können oder derartige Gefühle unterdrücken.
Der sexuelle bzw. Liebesakt (heute ist er, wie gesagt, meist eingewoben in eine zuweilen hochindividuelle Beziehung zweier Personen) enthält diverse höchste Glücksmöglichkeiten, darunter mE auch gerade diejenige, darin die elementarste Verbundenheit wieder zu erleben bzw. Elemente davon zu assoziieren. Es klingen Gefühle an, nicht Gedanken: wir sind eins, wir vereinigen uns, nicht nur als zwei Individuen, sondern weil wir zu dem großen biologischen Organismus Menschheit gehören, der als Organismus, untergliedert in zahllose Unterorganismen, sich sexuell reproduziert und gleichzeitig sich ernährend reproduziert, der sein gesellschaftliches Leben gesellschaftlich produziert. (‚Sich vereinigen‘ scheint eher ein Willensakt zweier ‚unabhängiger‘ Individuen zu sein. Wenn er so scheinen mag, vergisst man, dass er eine Folge der schon bestehenden Einheit ist.)
Die historisch zunehmende Individualisierung von Einzelpersonen rückt auch in der Sexualität die Individualität der Beziehung zweier Individuen in den Mittelpunkt des Erlebens. Diese Individuen vermögen gleichwohl wie vor Tausenden von Jahren nur in Verbundenheiten zu existieren, auch wenn ihnen das zuweilen nicht mehr recht gegenwärtig ist bzw. von ihnen sogar als vermeintlich störendes Element empfunden wird. Der Sexualakt selber allerdings von seiner biologischen Seite her erinnert unweigerlich stärkstens an die Nichtindividualität, an die Kollektivität und die Tatsache, dass wir darin als Organe, als momentane Akteure einer menschlichen Biomasse fungieren. Die Spannung zwischen dem individuellen erotischen Geschehen und dem „Tierischen“ leben wir in unserer Sexualität, in unseren Liebesverhältnissen aus, ohne das zu wissen oder auch nur recht ins Gefühl eintreten zu lassen. Das Glück entsteht in diesem Spannungsverhältnis, in dieser Komplexität, in der Tiefe der Geschichte. Im sexuellen bzw. Liebesakt sind die unterschiedlichen Seiten simultan anwesend, vielleicht kaum erahnt, aber doch repräsent und ausgelebt.
Das „Tierische“ ist in unserer Kultur aus bestimmten Gründen stark negativ besetzt, ohne es verdient zu haben; genauer: unsere individualistische christliche kapitalistische Ideologie versucht es als etwas Altes, Überwundenes, ja Tabuiertes, jedenfalls als etwas Störendes zu konzeptualisieren und abzudrängen. Oder die kapitalistische Ausbeuterdisposition führt zu Ausnutzungs- und Dienstverhältnissen, die aus Individuen Lustmaschinen machen. Die Zukunft der Erotik liegt aber mE in einer Beziehungskultur, welche die elementare biologische Lust- und Zeugungsmechanik mit der individuellen persönlichen Entwicklung der Partner synthesiert.
Das sexuelle Glück kann mE nicht, oder jedenfalls nicht hauptsächlich, von der orgastischen Lust bzw. auch den diversen sonstigen lustvollen Erregungen her definiert werden, die im sexuellen Geschehen vorkommen (und möglicherweise von Beteiligten als das – wichtigste – Ziel, als der Inhalt ihrer Tätigkeit empfunden werden). Das ist mE ein merkwürdiger und abstumpfender Ansatz; trotzdem scheint er meistens den heutigen Erörterungen über Sexualität zugrunde zu liegen, weil die tiefen Verbundenheiten nicht recht zum Bewusstsein gebracht werden dürfen.
Das sexuelle Glück sollte mE vielmehr vom Erlebnis der Fülle der produktiven gesellschaftlichen Beziehungen her beschrieben werden, der im sexuellen Geschehen angetriggert wird.
Und sexuelles Glück ist auch nur eine der Seiten der primären Verbundenheit. Die andere ist das Glück, das wir erfahren, wenn wir mit anderen Menschen in Weisen kooperieren und uns verständigen, in denen gesellschaftlich Gutes geschaffen wird. Wir sind glücklich, wenn wir gemeinsam mit anderen gesellschaftlich wertvolle Produkte entwickeln oder herstellen, wenn wir soziale Beziehungen verbessern können…
Möglicherweise sind Frauen für die soziale Komplexität des sexuellen Aktes sensibler als Männer. Für Frauen klingt im sexuellen Geschehen wohl eher und stärker als bei Männern das Thema Mutterschaft an, damit kommen elementare gesellschaftliche Beziehungen, nicht nur die der aktuellen beiden Partner, ins Spiel. Mutterschaft ist auch auf ein günstiges soziales Umfeld angewiesen, nicht nur auf die Verlässlichkeit des Partners. Die Verbindung zur orgastischen Lust scheint bei Frauen auch eine andere als bei Männern. Bei Männern scheint sie relativ direkt zu sein, während bei Frauen der Orgasmus – im sexuellen Akt mit einem Partner – offensichtlich weniger berechenbar und weniger auf mechanischem Weg erreichbar ist, möglicherweise weil es ihnen noch immer mehr auch auf die soziale Verbundenheit ankommt (diese Sätze sind als Vermutungen, als Fragen an weibliche Leserinnen zu verstehen, die sie besser beantworten können als ich).
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Zwei Beispiele für Theorie und Praxis aus der Vergangenheit
Charles Fourier (Anfang des 19. Jahrhunderts), einer der sog. „Frühsozialisten“ bzw. „utopischen Sozialisten“, sah die Einheit der gesellschaftlichen Produktivität(en) sehr klar, nämlich die Einheit der im engeren Sinne sexuellen und reproduktiven Funktionen mit den nichtsexuellen reproduktiven Funktionen. Er postulierte die Bildung gesellschaftlicher Grundkollektive, die er „phalanstère“ nannte. In derartigen Organismen, die jeweils mehrere Tausend Menschen umfassen sollten, wären alle an der Produktion beteiligt gewesen. Sie sollten kollektiv den Lebensunterhalt der Gemeinschaft produzieren, agrarisch, handwerklich, manufakturmäßig (die maschinelle Großindustrie war zu Fouriers Zeit noch kaum vorhanden oder absehbar), und das sexuelle Leben sowie die Aufzucht und Erziehung des Nachwuchses sollten von der zeitgenössischen Kleinfamilie sich wieder entfernen und auf andere, kollektivere Formen zurückgreifen, die die Menschheit zu anderen Zeiten gekannt hatte.
Fourier wollte in seinem Konzept die historisch inzwischen entwickelte Ausgestaltung der Sexualität zu Erotik und individuellen Liebesbeziehungen ebenso berücksichtigen wie die Lust der eher biologisch zu beschreibenden sexuellen Tätigkeiten; er berücksichtigte dabei auch alle möglichen weiteren Ausformungen von Sexualität wie Homosexualität oder auch Enthaltsamkeit etc. pp. Dies alles sollte sich entfalten können in Kollektiven, die optimal geeignet wären zur Produktion der eigenen ökonomischen Lebensgrundlagen ebenso wie zur Entfaltung von Liebe und Lust.
Die unterschiedlichen Aspekte der menschlichen Verbundenheit sind hier, in ihren wechselseitigen Abhängigkeiten, wohl ganz gut erfasst, meine ich.
Etwas extravagant scheint bei Fourier, wenn man in seinem Regelwerk der erotischen Beziehungen liest, dass er der Orgie ausdrücklich einen Platz im gesellschaftlichen Leben der phalanstère zuweist, natürlich nur für diejenigen Mitgliedern organisiert und zelebriert, die für Derartiges Lust haben. („Regelwerk“: Fouriers Begrifflichkeit als die eines Franzosen hat immer auch etwas Klassifizierendes oder sogar quasi juristisch Regelndes). Wenn man jedoch zu den Fruchtbarkeitskulten und den damit oft verbundenen kollektiven rituellen sexuellen Festen bspw. Mesopotamiens zurückblickt, denen wohl eine elementare Funktion innerhalb der kollektiven Produktion zukam, erscheint er weniger als Sonderling denn als Autor mit Gefühl für historische Tiefendimensionen.
Die an den individuellen Kleinbesitz gekoppelte Kleinfamilie, insbesondere die spezifische Kultur der Erotik und Sexualität unter kapitalistischen Bedingungen des 20. und 21. Jahrhunders, treibt die Aspekte auseinander. Die individuelle Kleinproduktion und das individuelle kapitalistische Unternehmertum lassen unter ihren rechtlichen und ideologischen Paradigmen die zugrunde liegende Gesellschaftlichkeit der materiellen Produktion ebenso aus dem Blick verschwinden wie das ideologisch verklärte Zweierverhältnis die biologischen Grundlagen der Sexualität verhüllt.
Es sind Paradigmen, die unter christlichen ideologischen Dogmen und parallel unter gesellschaftlich konkreten Entwicklungen (der gesellschaftlichen Spaltung und Orientierung auf das einzelpersönliche Gewinn- und Glücksstreben) im Laufe von 2000 Jahren sich zur Dominanz entwickelt haben. Genauer: seit mehr als 2000 Jahren, denn z.B. in der römischen Gesellschaft prägt sich Ähnliches bereits deutlich früher aus.
Das tiefe und tiefgreifende Glück, das trotzdem weiter erlebbar ist, kommt demgegenüber zustande mE in der Transgression der spaltenden Normen, in der Bejahung der natürlichen biologisch determinierten „Triebe“ und in den Erfahrungen der Kooperation bei der Produktion des gesellschaftlich Guten. Das „Individuum“ ist glücklich im Wiedererleben des universellen Zusammenhangs der produktiven Menschheit: in einer individuell inspirierenden, kreativen sexuellen Paarung wie in der Erfahrung der Verbundenheit in der Produktion. Die anderen Formen von Glück sind demgegenüber minder.
Anhang:
Das Folgende müsste von der historischen Forschung wohl noch weiter geklärt werden.
Ich vermute, dass frühere, bereits hochentwickelte Gesellschaften wie die sumerischen Städte (etwa seit ca. 3.500 vuZ) noch Elemente der archaischen hordenartigen sexuellen Gemeinschaft kultivierten (d.h. sie lebten sie als Kult), und zwar in Verbindung mit dem Tempel, der gleichzeitig eine zentrale Einrichtung der allgemeinen ökonomischen Produktion und Versorgung dieser Städte war. Anscheinend gehörte zu der Vergesellschaftung dieser Städte zentral auch eine rituelle Orgie präindividueller hordenmäßiger Sexualität, die von den „Bürgern“ zusammen mit Frauen, die beim Tempel dafür organisiert wurden, praktiziert wurde. In den Beschreibungen ist traditionell von „Tempeldirnen“ die Rede, ein Ausdruck, der mE das Wesen verfälscht. Es handelte sich wohl eher um eine rituelle Aufgabe, die für das städtische Kollektiv gemeinschaftsstiftende Funktion hatte.
In einer Zeit, in der das Königtum der sumerischen Städte aufkommt, gehörte dazu auch die sog. heilige Hochzeit, die rituelle sexuelle Vereinigung der obersten Priesterin des Tempels mit dem König. (lt. Graeber/Wengrow „Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit“ war allerdings die Königsherrschaft nicht die ursprüngliche Verfassung der sumerischen Städte).
Bei Graeber/Wengrow und bei Robert Bellah („Der Ursprung der Religion“) finde ich in den Ausführungen zum sumerischen „Tempel“ allerdings nichts zum ‚sexualpolitischen‘ Aspekt der Tempelkultur. Diese Autoren scheinen zumindest hier recht „enthaltsam“.
Dass aus solchen wahrscheinlich relativ urtümlichen Formen, aus Riten, die ältere Verhältnisse noch eine Zeitlang konservieren und die Vorzeit durchschimmern lassen, sich andere Formen entwickelt haben, wozu für mich vor allem die Personalisierung (wenngleich unter patriarchalischen Vorzeichen) zählt, die Personalisierung der Beziehungen zwischen Männer und Frauen wie namentlich im Judentum, halte ich allerdings für einen historischen Fortschritt.
Bei allen Fortschritten kommen freilich bestimmte gute Seiten der Verhältnisse, die man überwindet, unter die Räder und melden sich dann später wieder aus dem Untergrund. Das Judentum hat mit größter Energie Dinge wie die sexuellen Tempelriten bekämpft und das Christentum ist dann so weit gegangen, der Sexualität generell mit Argwohn gegenüber zu treten und sie zu erniedrigen, auch einschließlich der Sexualität innerhalb des Ehepaares, das immerhin als hochpersönlich verstanden wurde – wenngleich es weiterhin patriarchalisch, d.h. als eine Form der Knechtung existiert. Mit diesen Entwicklungen sind enorme Entfremdungen der Menschheit nicht nur von der Sexualität, sondern überhaupt von ihren Wurzeln einhergegangen – Entfremdungen, denen erst seit historisch sehr überschaubarer Zeit, seit der französischen Aufklärung und den historisch-materialistischen Strömungen des 19. Jahrhunderts, mit wachsendem Verständnis für die menschliche Natur wie für ihre historischen Transformationen entgegengewirkt wird.
[1] Die Vermutung, dass in ganz alten Zeiten viele wesentliche Aufgaben geschlechtsspezifisch aufgeteilt wurden, ist wohl nicht völlig abwegig. Amazonen dürfte die Ausnahme gewesen sein.
[Die ursprüngliche Fassung dieses Beitrags v. 24.9. 25 war im letzten Abschnitt anders gegliedert.]
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