Wenn über die Kosten finanzieller Maßnahmen zur Verteidigung der europäischen Einheit debattiert wird, sollten auch die Kosten der Rettung deutscher Banken oder die Kosten der Ökopolitik einmal in den Blick gerückt werden
Walter Grobe, 15.12.2010
(leicht ergänzte und verdeutlichte Fassung, 16.12.2010)
Ich muß doch einmal ein paar Sätze formulieren, um meinem Ärger über das erbärmliche Gejammer wg. der ach so schrecklich drohenden „Transferunion“ etwas Luft zu machen.
Die Welt steckt weiterhin tief in einer Finanzkrise und einer noch umfassenderen gesamtwirtschaftlichen Krise. Diese greift in Europa vor allem auch deswegen, weil es gegenüber der Expansion des Kapitalismus in den aufstrebenden Ländern wie China usf. ins Hintertreffen gerät. Das ist offenkundig spätestens seit Mitte 2007, und daß so etwas kommen muß, war schon lange Jahre zuvor zunehmend festzustellen gewesen, wenn man nicht gerade jede Wendung des Kapitalismus blind verteidigen wollte.
Die krisenhafte Zuspitzung der kapitalistischen Wirtschaft und Mißwirtschaft hat schon längst den Bürgern massive zukünftige Tribute auferlegt, auch deswegen, weil diese politisch wehrlos sind und sich von den staatlichen Bürokratien im Verbund mit den sog. Investoren aus dem In- und Ausland melken lassen müssen. Das gilt umso mehr in den letzten Jahren, in denen diese darum kämpfen, ihre aktuellen Krisenverluste einzugrenzen und sogar wettzumachen. Die Überschuldung der Staaten, einschließlich der selbstgerechten BRD, ist seit vielen Jahren, schon vor der Krise, in unvorstellbare Dimensionen gewachsen. Es mußte schon seit langen Jahren vor dem aktuellen Krisenausbruch damit gerechnet werden, daß den Bürgern, auch vielen Besitzenden bis hinein in hohe ökonomische Klassen, in der nahen Zukunft gesalzene Rechnungen präsentiert werden.
Jetzt ist die Europäische Union verstärkten Angriffen der „Investoren“ ausgesetzt, die mit Staatsanleihen spekulieren, steht unter Druck der USA als Noch-Oberherr, unter Druck werdender Großmächte wie China, ist abhängig von marodierenden Gernegroßen wie Russland, zuweilen spielen solche Mächte auch zusammen gegen die EU – und diese versucht alledem gegenüber irgendwie den Zusammenhalt zu retten. Natürlich kostet das weitere staatliche Mittel, die längst nicht mehr vorhanden sind und durch weitere Schulden aufgebracht werden sollen.
Wie gerettet werden soll, wer wieviel bezahlen soll, ist heftig umstritten, es wird aber höchstwahrscheinlich erneut zu einer Abmachung kommen, weil die überwiegenden ökonomischen und politischen Interessen in den EU-Ländern keine andere Wahl lassen. Daß die nächste Vereinbarung auch nur – bestenfalls – eine weitere Überbrückung sein wird, eine weitere Belastung der Zukunft, für deren eigentliche Gestaltung noch keinerlei Konzept existiert, das versteht sich von selbst. Es kann auch kein Konzept geben ohne tiefgehende Kritik des kapitalistischen Systems und aufwachende Massendemokratie. Davon ist derzeit noch sehr wenig zu spüren.
Trotzdem muß der Zusammenhalt der europäischen Länder erhalten und gestärkt werden, weil sie sonst von internationalen Mächten und auch von eigenen inneren „Investoren“, d.h.
Hasardeuren und Kriminellen, wie sie bspw. von der Deutschen Bank exemplarisch repräsentiert werden, regelrecht kannibalisiert werden wird. Das wäre die schlechteste Ausgangsposition für zukünftige progressive Bewegungen von und im Interesse von großen Mehrheiten der Bürger in den europäischen Ländern.
In dieser Situation hört man nun speziell in Deutschland allenthalben ein konzertiertes Gejammer über eine drohende „Transferunion“ und den angeblichen Ausweg einer Rückkehr zur DM – als ob durch die jetzigen Stützungsmaßnahmen für bestimmte europäische Staatshaushalte entscheidend große Verluste für den deutschen Besitzbürger ausgelöst würden. In Wirklichkeit wären selbst die erhöhten Zinsen, die bspw. im Falle der Einführung von Eurobonds für den deutschen Staatshaushalt wahrscheinlich anfallen, ein Klacks gegenüber den Beträgen, die diesem zwecks Rettung von Hypo Real Estate, der Deutschen Bank und vielen anderen Banken längst aufgebürdet worden sind. (Unter „Eurobonds“ werden Staatsanleihen der EU als Ganzer verstanden, die bisher nicht erlaubt sind. Bisher gibt es nur die Verschuldung einzelner Regierungen.)
Als der deutsche Staatshaushalt 2007, 2008 und 2009 in Windeseile Hunderte von Milliarden für die Rettung der HRE, in Wirklichkeit der Deutschen Bank etc. bereitstellte, Mittel, die er vom Bürger an kriminelle, verantwortungslos spekulierende und in milliardenschweren Boni schwimmende Finanzoligarchien transferiert, fand dies nicht ein Hundertstel des negativen Echos, das jetzt die Diskussion über mögliche Abwehrmaßnahmen der EU beantwortet. Damit will ich nicht sagen, daß Eurobonds von mir befürwortet werden; vielleicht gibt es auch andere, bessere Wege. Aber das allgemeine Ziel einer gemeinschaftlicheren Bewältigung der Angriffe finde ich unumgänglich.
„Transferunion“ war ja übrigens schon mit den ersten der EU noch vorausgehenden Zusammenschlüssen gegeben. Die ganze EU ist von vornherein vor allem eine „Transferunion“, man denke nur an die Landwirtschaft usf. Die EU hat speziell dem deutschen Kapital gigantische Transfers zu seinen Gunsten ermöglicht, auf den verschiedensten Gebieten. Es hat viele europäische Märkte, Märkte für Industrieprodukte wie für Banken und andere Finanzinstitutionen, für sich erschließen und teilweise erobern können, was ohne die EU und den späteren Euro so nicht möglich gewesen wäre. Die Unterentwicklung von Ländern wie Griechenland oder Portugal ist jahrzehntelang zugunsten des deutschen Kapitals genutzt und vertieft worden. Das vergessen die Schreihälse wider die „Transferunion“, wenn sie herumjammern, „wir fleißigen Deutschen“ müßten jetzt die angebliche oder auch fallweise tatsächliche Faulheit und Mißwirtschaft in diesen Ländern bezahlen.
Oder nehmen wir den jüngsten der bereits manifest gewordenen Pleitefälle, Irland. Irland war und ist u.a. der Standort der Depfa, der Tochter der Hypo Real Estate, wo hauptsächlich die Hunderte von Milliarden an Fehlbeträgen der HRE verursacht wurden, die vom deutschen Steuerzahler zu übernehmen waren, anders ausgedrückt: die seine Jugend noch mehr um Bildungs- und Arbeitschancen bringen werden, seine Straßen löcherig und seine Krankenversorgung noch löcheriger machen werden. Deutsche Landesbanken unterhielten offenbar gerade auch in Irland spekulative Töchter, die den Steuerzahler in Deutschland schon längst mit –zig weiteren Pleitenmilliarden belasten. Überhaupt scheint dort die finanzkapitalistische Mißwirtschaft und die staatliche Korruption in großen Umfang auch gerade durch deutsche Banken gefüttert und unterhalten worden sein. Es wird davon gesprochen, daß sich die Gesamtheit der Forderungen deutscher Banken, Firmen etc. an irische Schuldner in Höhen um die 400 Milliarden bewegt. Wenn jetzt der irische Staatshaushalt gerettet werden muß, dann hat das seine Ursache auch gerade in dieser merkwürdigen Ökonomie. Gerettet wird hier nicht der „faule“ Europäer eines Randstaates wie Irland oder Griechenland oder in der Perspektive vielleicht auch Spaniens, Italiens, Belgiens usf., sondern das faulste Zockersystem des ganzen jüngeren Kapitalismus, an dem deutsche Finanzinstitute und ihre Kunden beträchtlichen Anteil haben. Soviel erst einmal zum Thema „Transferunion“. Das Thema kann und sollte man noch vielfach und deutlich vertiefen.
Nur Leute, denen ihr bißchen mehr oder weniger Geldbesitz den ökonomischen und politischen Verstand völlig ausgehebelt hat, wenn er denn überhaupt ansatzweise existierte, können ein derart blindes und selbstgerechtes Lamento produzieren.
Und noch etwas.
Jetzt wird die deutsche Regierung angegriffen, weil man angeblich entdeckt, daß Eurobonds oder dergl. teuer werden. Es werden ein paar Milliarden an zusätzlichen Zinsen pro Jahr sein, die für den deutschen staatlichen Schuldendienst aufzubringen wären.
Aber bis heute haben dieselben Journalisten, „oppositionellen“ Politiker und alle die Geldseelchen, die jetzt auf den Leserforen bspw. der „FAZ“ oder der „Welt“ sich wegen der „Transferunion“ die Augen ausweinen, noch nicht entdeckt, was bspw. der Klimawahn des deutschen Staates, aller seiner Parteien und seiner abseitigen Bürokraten eigentlich kostet. Windräder, Solarpanels, Atomausstieg usf. haben bis heute schon das Mehrfache an Tributen vom Bürger abverlangt und drohen sämtliche Rekorde der parasitären Besteuerung und der Subventionierung unsinnigster Anlagen in Zukunft zu brechen.
Die Ökoreligion (s.u.), die erklärte Politik von SPD, CDU etc., unterminiert die zukünftige Leistungsfähigkeit von Wissenschaft, Technik und international konkurrenzfähiger Warenproduktion in diesem Lande zehnmal so stark und dauerhaft wie jede der jetzt angedachten Maßnahmen zur Stützung des Euro. Den jetzigen kritischen Stimmen, auch außerhalb der Debatte über die „Transferunion“, ist zwar recht zu geben in dem Punkt: die nationale Substanz und Existenz Deutschlands wird in der Tat durch die völlig undemokratische und unlegitimierte EU-Bürokratie (in der die deutsche Bürokratie einen führenden Platz einnimmt) weiter gefährdet und muß der gegenüber verteidigt werden, in eins mit vernüftigeren zukünftigen Regelungen zum Erhalt und Ausbau des europäischen Zusammenhaltes. Aber die grundlegende ökonomische Negativpolitik, die gerade Deutschlands Regierungen im Zeichen der Ökoreligion gegenüber dem eigenen Volk und auch gegenüber den europäischen Völkern vertreten und weiter durchzusetzen suchen, ist eine ungleich größere Bedrohung der nationalen Substanz. Sie bedroht längerfristig die Existenz Deutschlands selbst, im Sinne einer Auslöschung dessen, was es an positiven und international geschätzten Eigenschaften noch hat, und gefährdet damit auch die europäische Zukunft insgesamt.
Nachbemerkung: Beim „Klimawahn“ bzw. der „Ökoreligion“ handelt es sich in Wirklichkeit nicht bloß um Wahn, sondern um die Verkleidung einer gezielten kapitalistischen Politik. Ich habe versucht, in meinen letzten Beiträgen wie „Ökoschrott“ (Okt. 2010), die Logik dieser Politik bloßzustellen, die allerdings die schädlichste Variante überhaupt darstellt und mit der Deutschland auf längere Sicht unvermeidlich abgewickelt werden wird. Der öffentlich verbreitete Wahn, die quasi-religiöse Vernebelung der Öffentlichkeit durch Behauptungen über angeblich unvermeidliche Umweltschutz-Maßnahmen gehört untrennbar zu dieser Politik, ist aber nicht ihr Wesen.