In diesen Tagen ist die Lektüre der führenden deutschen Zeitungen mehr denn je eine Qual.
Bis Ende März war die schon flächendeckende Propaganda gegen die Kernenergie, in „Handelsblatt“, „Süddeutscher“, „Spiegel“, „Bild“, „Focus“ nicht weniger als in „Welt“ oder irgendwelchen Provinzzeitungen, wenigstens da oder dort noch von Gegenstimmen durchsetzt. Es gab immerhin vereinzelte redaktionelle Artikel und auch, bspw. in der „FAZ“, eine relativ lebendige Leserdiskussion. Verschiedene Autoren traten der Verteufelung der Kernenergie, den systematischen Übertreibungen bei den Katastrophenschilderungen und den Märchenerzählungen über die Vorteile der sog. erneuerbaren Energien entgegen, bis, ja bis – am 28.3.11 der Mitherausgeber des letztgenannten Blattes, Frank Schirrmacher, ein Machtwort sprach, alle Befürworter der Kernenergie für von vornherein intellektuell unredlich erklärte (direkt ein Maulkorb für die Redakteure seines Blattes), und bis wenige Tage darauf bekannt wurde, daß die Merkel-Regierung Beschlüsse zur Schnellabschaltung einer ganzen Reihe von Kernkraftwerken und zur beschleunigten Umrüstung des Landes auf sog. erneuerbare Energien gefaßt hatte.
Die Dame spricht nun offen von einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformation, die anstehe, keineswegs einer bloß energiewirtschaftlichen Umsteuerung.
Wer Merkel und ihre Kreise über die Jahre beobachtet hat, konnte nicht eigentlich überrascht sein. Es ist falsch, daß sie „umgefallen“ sei. Diese billige Formel der Medien soll von den wirklichen Grundströmungen in den herrschenden Kreisen und ihren Motiven ablenken.
Was Merkel persönlich angeht, so hat sie in allen praktischen Entscheidungen bereits in ihrer Zeit als Umweltministerin im Kabinett Kohl immer konsequent gegen die Kernenergie agiert. Ihr war es vorbehalten, in diesem Amt zu erklären, es werde in Deutschland keinen Neubau von KKW mehr geben.
In der Großen Koalition bis 2005 verteidigte sie dann gegen erhebliche Stimmen der eigenen Partei beinhart den Ausstiegsbeschluß der Schröder/Fischer- Regierung vom Jahre 2000 und trat in Permanenz, zusammen mit Gabriel von der SPD, als Anpreiserin der „Erneuerbaren“ auf. Parallel dazu und logischerweise gewannen in CDU und CSU die völlig korrupten prinzipienlosen Elemente immer mehr das Oberwasser.
Der sog. Laufzeitverlängerungsbeschluß vom Okt. 2010 schließlich, den manche sich als Anbahnung des Ausstiegs aus der Anti-Kernenergiepolitik gedacht haben mögen, wurde in ihren Händen und unter ausdrücklicher Zustimmung verschiedener Spitzenmanager zur Festschreibung des Ausstiegs, zum nachdrücklichsten Bekenntnis und zur praktischen Finanzplanung eines möglichst frühzeitigen völligen Umbaus der deutschen Strom-Eigenproduktion auf Windräder etc. Bereits zu diesem Zeitpunkt deuteten verantwortliche Regierungsmitglieder wie Röttgen recht deutlich an, daß man an Maßnahmen zur vorzeitigen Abschaltung mehrerer Kernkraftwerke arbeite, z.B. durch zusätzliche sog. Sicherheitsvorschriften den Betrieb älterer Anlagen rasch „unrentabel“ zu machen.
Fukushima, und zwar wie es in der organisierten Panikmache der deutschen Medienwelt hierzulande ausgemalt wird, ist nunmehr das willkommenes Alibi, um solche Pläne rigoros und selbst unter chaotischen Folgen umzusetzen. Ich habe in dem Beitrag „Der drohende neue Krisenabsturz und die Ökoforcierung Deutschlands“ die Ansicht geäußert, daß im wieder massiv zunehmenden Druck der kapitalistischen Krise ein wichtiges Motiv für die herrschenden Kreise liegt, ein Billionenprogramm der sog. Erneuerbaren jetzt unmittelbar zu erzwingen, ein zusätzlicher Antrieb außer ihren seit langem wirksamen Motiven (wie ich diese Motive sehe, s. z.B. meinen Beitrag „Ökoschrott“ v. Okt. 2010)
Seitdem gibt es fast nur noch die Propaganda des beschleunigten Ausstiegs. Selbst Leute wie der RWE-Chef Großmann, der selbst in dem „Energiepolitischen Appell“ der deutschen Manager-Creme vom vergangenen Herbst die Politik des endgültigen Ausstiegs und der Umrüstung auf Windräder etc. öffentlich mitunterschrieben hatte, werden nun öffentlich als die letzten Dinosaurier verhohnepipelt, weil er und der eine oder andere Manager oder Journalist untertänigst darauf aufmerksam machen, daß die numehrige forcierte Umsetzung dieser Vorstellungen, die nicht ganz ihrem Plan entspricht, doch auch kostet, und Forderungen nach Entschädigungszahlungen andeuten.
Wenn überhaupt jetzt noch Kritik an der forcierten Aussteigerei geübt wird, dann nur noch auf dem Niveau eines Herrn Großmann: Ausstieg ja, Erneuerbare so schnell wie möglich, aber macht schnellstens ein Konzept für die zusätzlichen Finanzlücken.
Was die ganze Denkweise der Parteien wie auch dieser führenden Kapitalvertreter die Bevölkerung schon gekostet haben und nunmehr erst recht kosten werden, hat allerdings eine noch ganz andere gesellschaftliche Qualität als es bloß die Verschleuderung einiger weiterer Milliarden wäre, die der Steuerzahlen nun zusätzlich an diese Großmänner zahlen soll. Ich halte es für höchst wahrscheinlich, daß der moralische Verfall in diesen Kreisen es ihnen unmöglich macht, sich über mehr als das Auf und Ab ihrer Profite Gedanken zu machen. Aber das können nicht alle in diesem Land so praktizieren, denn sonst wäre es schon längst untergegangen.
Die Schäden gehen über jede, auch die größte wirtschaftliche Dimension hinaus, weil diese Politik die gesellschaftliche Substanz ruiniert, aus der die Bevölkerung immerhin noch zu erheblichen Teilen gelebt hat. Sie greift die moralische Substanz an, die von den aktiven und produktiven und nachdenklichen Teilen der Bevölkerung noch immer gespeist worden ist. Wenn es durchgeht, daß die Leitlinie der Ökonomie und der öffentlichen Moral auf Denkverbote gemainstreamt wird, nach dem Schema: Kernenergie böse – Windrad gut; wenn es durchgeht, daß unter einem vereinheitlichten Märchen-Dauerfeuer aller, aber auch aller offiziellen Propagandaorgane (ähnlich wie einst in der zugrundegehenden Sowjetunion) grundlegende Techniken zwangsverordnet werden, die verglichen mit dem, was in allen voranstrebenden Ländern entwickelt wird, Kinderei bedeuten; wenn es durchgeht, daß die bewußte Vernichtung von Wissen, technischem Können und Produktivkräften von allen betrieben und gutgeheißen werden muß, wenn alle daran mitarbeiten müssen, daß das eigene Land beschleunigt vermorgenthaut und international lächerlich gemacht wird, dann kann man es wirklich vergessen und seine Feinde sind schon nah am Ziel.
Wenn Regimes wie das islamistische von Erdogan in der Türkei Kernkraftwerke bauen dürfen, aber Deutschland nicht, wo sind wir dann eigentlich gelandet?
Ich bin zwar nicht restlos überzeugt, daß es vollends so kommt, aber das Ausmaß, in dem es derzeit von allen Parteien, Wirtschaftsgrößen und Medien (Kirchen nicht zu vergessen) zum beschleunigten Kommen gebracht wird, kann einem schon die Laune gründlich verderben.
Gefragt sind jetzt Initiativen zur Organisation von Widerstand. Es muß in organisierter Weise bekämpft werden, daß das ganze Land auf Lügendiät gesetzt wird. Eine Gesellschaft, in der noch kreative Unruhe wirkt, Unruhe im technisch-wissenschaftlichen Bereich wie auch stellenweise noch im sozialen und politischen Bereich, Unruhe, die Weiterentwicklung erzwingen kann, darf nicht „transformiert“ werden in eine Gesellschaft der erzwungenen Ruhe, einer Ruhe der scheinbar ungefährlichen „nachhaltigen“ Techniken, des Abtötens alles dessen, was den satten Spießbürger beunruhigen könnte. Das Abtöten der für das Kapital kostspieligen Alten ist ja schon im Gange ebenso wie schon seit langem das Abtöten des natürlichen Strebens nach Nachwuchs.
Die Transformation in eine Gesellschaft der scheinbar alles ausgleichenden Bürokratie und einer gleichgeschalteten intellektuell-kulturellen Verleugnung der Tatsachen muß zum Scheitern gebracht werden. Eine solche Pest mitten in Europa können auch die Nachbarn nicht wollen. Wenn das durchkommt, ist Europa mit erledigt.