Kritisches zur Eurorettung von der „FAZ“ – sowie meine Bemerkungen zu dem, was die „FAZ“ selber nicht schreiben darf.
Die Ausführungen von Herrn Holger Steltzner
In der „FAZ“ v. 24.11.12 greift ihr Mitherausgeber Holger Steltzner scharf bestimmte Mechanismen der sog. Euro-Rettung an. Aufgrund der immensen Geldflut der EZB an das europäische Bankensystem (Draghis „Dicke Bertha“, Target-Salden und andere Kanäle) sind, in seiner Darstellung, selbst die letzten Zombie-Banken der Eurozone noch in die Lage versetzt worden, ihre Geschäfte wiederzubeleben. So kauften mit den Mitteln aus den 1%-Krediten der EZB selbst die bankrottesten Institute massenhaft die neuen Staatsanleihen insbesondere der bereits meistverschuldeten Länder auf und ließen sie sich mit 6% verzinsen.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/renationalisierung-zocken-mit-der-dicken-bertha-11970687.html
Ich empfehle den Artikel von Steltzner zu lesen, und dann vielleicht noch meine folgenden kritischen Anmerkungen.
Zunächst möchte ich an folgendes erinnern, was in meiner Sicht essentiell für die Analyse ist:
Die sog. Finanzkrise, ein Teilbereich der globalen Krise der Kapitalismus, wurde ausgelöst durch die finanzkapitalistischen Schneeballsysteme. In der angelsächsischen Presse ist dazu auch das Schlagwort „Ponzi-Schema“ gebräuchlich. Es wurden von den großen Banken, Hedgefonds, Schattenbanken, Versicherungen und wie die Akteure des Finanzkapitalismus alle heißen mögen, vielfache untereinander verflochtene Versprechen auf künftige Zahlungen aufgebaut in einem Umfang, der die Wirtschaftsleistung ganzer kommender Generationen der Welt im Voraus beschlagnahmt, würde man sie zu realisieren versuchen. Eine der wichtigsten Grundlagen dieser Strategien waren und sind weiterhin die Staatshaushalte, die als Mitspieler der Finanzfluten und Garanten gegen zukünftige Bankrotte herhalten sollen und dies bisher aufgrund der Interessenkoalitionen der politischen Klassen mit dem Finanzkapital auch getan haben.
Die mit dieser Systematik jedoch letztlich unvermeidlichen Zusammenbrüche im internationalen Finanzsystem und im globalen Kapitalismus überhaupt versucht nunmehr jedes der größeren kapitalistischen Zentren, v.a. die USA, die Eurozone, China, für sich selbst hinauszuschieben und bei den jeweiligen Konkurrenten stattfinden zu lassen. Für Politiker und Medien der USA, aber auch Chinas etc. ist „die Eurokrise“ die Wurzel aller gegenwärtigen Übel, und sie bieten ihre durch und durch konstruktiven Ratschläge uns an.
Nicht nur die sozialen, sondern gerade auch die internationalen Spannungen haben sich gerade unter diesem Aspekt verschärft, was Politik und Medien bisher nicht zuzugeben bereit sind. Man will den eigenen Bevölkerungen Sand in die Augen streuen, was die bevorstehenden Härten betrifft. Neue Wellen der Massenverarmung, weit über das bisherige Maß der bisherigen globalkapitalistischen Ausräuberung hinaus zusätzlich, finden in der Tat längst statt und werden, wenn sie in anderen Ländern auftreten, auch hier und da ein wenig berichtet; was im eigenen Land ansteht, darüber möchte man allerdings noch weniger gern sprechen. Am wenigsten darf die Frage der internationalen Spannungen beleuchtet werden. Nur wenige, angeblich vor allem regional und lokal begründete Konflikte, finden in den Medien und den Äußerungen der Politiker Erwähnung, ohne jedoch ihre Zusammenhänge mit den Spannungen zwischen den verschiedenen internationalen kapitalistischen Zentren mit ins Bild zu ziehen. Die Analytik bspw. zu Libyen, Syrien, Ägypten etc., zu den an vielen Stellen im sonstigen Afrika neu oder erneut aufflammenden Konflikten ist hierzulande echt erbärmlich.
Was nun Steltzner hier bringt, ist in meinen Augen eine plausibel anmutende Darstellung eines Teilproblems, nämlich daß im Rahmen der Eurozone die Methodik munter weiterpraktiziert wird, bei der ein Zahlungsunfähiger dem anderen weiteren Kredit gibt und vice versa, d.h. die Methodik, die zu den direkten Auslösern der jetzigen globalen Krise gehört, wie sie seit etwa 2008 manifest ist. Auf diese Weise wird das Volumen der alles auffressenden finanzkapitalistisch-staatlichen Ansprüche an die ökonomischen Mittel der breiten Massen, Löhne, Gehälter, Sparguthaben, Immobilienbesitz etc. pp., und an ihre zukünftigen Arbeitsleistungen noch weiter aufgebläht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, d.h. vor allem unter der Diktatur der gegenwärtig noch nicht entmachteten politischen Parteien und Bürokratien plus ihrer Medien und ihrer Justiz kann das leider wohl kaum anders sein.
Hier möchte ich aber auch hinweisen auf die schon merkwürdig anmutenden Ausblendungen großer Teile der Realität in der Steltznerschen Darstellung.
Zum einen ist das der internationale Druck auf die europäischen Länder, genauer gesagt auf die wesentlichen europäischen Länder, die mehrheitlich zur Eurozone und damit zur – angemaßten – Verfügungsmasse der EZB gehören. Deren Finanzsystem kann überhaupt nicht unabhängig vom gesamten globalen Finanzsystem gesehen werden, dessen mächtigste und überall hineinreichende Zentren bekanntlich in den USA und in zweiter Linie in London liegen – hinter London steht allerdings nicht unmittelbar die weltumspannende Militär-, Terror- und Spionagemacht der USA, weswegen London ein Wackelkandidat sondersgleichen ist, aber das nur am Rande.
Die sog. Eurokrise ist vor allem auch ein Ausläufer, ein Teilschauplatz der Krise der „angelsächsischen“ Finanzinstitutionen, der Wall Street, der Londoner City sowie derjenigen europäischen Finanzinstitutionen wie der Deutschen Bank und wohl auch mancher französischen Großbank, nicht zuletzt auch der internationalen Schweizer Banken, wie sie alle in dem zurückliegenden Zeitraum beansprucht haben, als „global player“ mitzumachen und sich am internationalen Schneeballsystem mit gesundzustoßen. Mögliche europäische Finanzzusammenbrüche wie Staatspleiten und entsprechende Bankenbankrotte betreffen wohl recht unmittelbar auch solche „angelsächsischen“ und damit verwandte Interessen, und daher konnte und kann in den letzten Jahren eine Unzahl von internationalen Forderungen an die Eurozone registriert werden, mit der ständigen weiteren Ausweitung des Systems „Bankrotteur gibt Bankrotteur Rettungskredit“ auf keinen Fall nachzulassen. Daß Steltzner diese internationale Dimension und Verursachung überhaupt nicht einmal andeutet, gehört zu den politischen Hintergründigkeiten, die auch bei so manchem anderen anscheinend frei heraus kritisierenden Kommentar unbedingt vermutet und herausgearbeitet werden müssen.
Der wichtigste politische Hintergrund der von Steltzner charakterisierten finanzpolitischen Verzweiflungsstrategien der EZB und aller wesentlichen europäischen Regierungen liegt in dem Interesse dieser Länder oder auch des übergeordneten bürokratischen Machtzentrums des europäischen Kapitalismus, Brüssel, den Laden wenigstens auf die unmittelbar absehbare Zukunft zusammenzuhalten. Dies gelingt anscheinend bis jetzt auch immer wieder trotz aller Negativprognosen und aller Interventionen von außen; allerdings ist der Preis der fortschreitende innere Ruin. Man weiß nicht, wie lange noch so weitergemacht werden kann und was das noch alles an zusätzlichen Lasten bedeutet. Wollen die europäischen Länder ihren Zusammenhalt bewahren und vertiefen, müssen ganz andere politische und ökonomische Strategien entwickelt werden.
Zum inneren Ruin der europäischen Länder gehören auch nicht unwesentlich – was bei Steltzner ebenfalls wegfällt – schwere wirtschaftspolitische und demografische Fehlentwicklungen, die nicht erst aus der jüngsten globalen Krise stammen.
In Europa sind nicht nur seit langem enorme weiße Flecken auf der Landkarte der modernen ökonomischen, insbesondere der industriellen Entwicklung zu verzeichnen, wie in Griechenland, Spanien, großen Teilen Italiens etc., sondern es finden zudem seit langem auch Deindustrialisierung, Korruption und Mafiotisierung in großem Stil statt. Und das industriell noch immer bei weitem leistungsfähigste Mitgliedsland, das sich am Export, gerade auch in die Eurozone, gesundzustoßen gewohnt ist, Deutschland, betreibt mittlerweile eine beispiellose Selbstdemontage vor allem unter sog. Umwelts- und Nachhaltigkeitsvorwänden. Das Ausmaß an Vernichtung von produktiv einsetzbarem Kapital, das die Regierung Merkel in Nachfolgerschaft von rot-grün dem Land auferlegt, so z.B. in der Energiepolitik, das Ausmaß an Vernichtung von nationaler Produktivkraft, wie es sich in der ständigen Verschlechterung und Verökologisierung von Bildung, Wissenschaft und Technik manifestiert, ist selbst ein wesentlicher Faktor der Verlängerung und Vertiefung der kapitalistischen Krise.
Merkels Leitbild, daß eine besondere Verschärfung der bürokratisch-finanzkapitalistischen Zwangsjacke des Kapitalismus bspw. durch die staatlich erzwungene Entwicklung der sog erneuerbaren Energien die kapitalistische Krise besser durchstehen helfen werde, destruiert das Land und damit auch Europa nachhaltigst. Dies ist keine Antikrisenstrategie, sondern eine besondere Form der Krisenverursachung und –verschärfung. Denn die internationale Konkurrenz läßt sich nicht ausschalten (auch wenn der bürokratische Ökologismus von diesem Traum nicht wegkommt), und die Entfaltung, nicht die Zurückstutzung der Produktivkräfte bleibt die wichtigste ökonomische Grundlage für jede menschliche Entwicklung.
Wie lange sie allerdings noch unter dem absoluten Vorrang der Profitinteressen stattfinden soll und überhaupt stattfinden kann, ist ein fruchtbarerer Ausgangspunkt für strategische Überlegungen als alle sog. Nachhaltigkeitsfragen, mit denen, so wie unsere herrschenden Kreise die Öffentlichkeit damit zupflastern, letztlich bloß die herrschenden Machstrukturen und die herrschende Mißwirtschaft befestigt werden sollen.
Auch die Herausgeberschaft der „Frankfurter Allgemein Zeitung“ wird letztlich charakterisiert dadurch, daß sie sich letztlich nicht an die hier skizzierten Problemfelder heranmachen will, auch wenn sie partiellen Unmut einmal recht deutlich formulieren kann.
PS: die „Financial Times Deutschland“, ein Medium von Bertelsmann + Gruner und Jahr, verschwindet. Das ist ein kleiner, nebensächlicher, aber vielleicht bezeichnender Vorgang. Die „FTD“ wurde vor mehr als einem Jahrzehnt gegründet in Gemeinschaft mit der Londoner „FT“ und sollte ein Propagandist der internationalen finanzkapitalistischen Interessen gegenüber Deutschland werden, so wie sie sich am Finanzplatz London darstellen und in Deutschland besser zu verankern sind. Auch die zunehmende Einbeziehung der deutschen und sonstigen europäischen Wirtschaftskraft für diese Interessen gehörte zum Konzept. Später zog sich der Londoner Medienverlag aus der „FTD“ zurück und sie blieb alleiniges Renommierprojekt von Bertelsmann sowie der Gruner und Jahr-Clique, die wie keine anderen Medienzentren in Deutschland sich um die systematische Untergrabung sämtlicher Prinzipien gesellschaftlicher Verantwortlichkeit „verdient“ gemacht haben. Nicht zuletzt zeigte sich immer wieder die enge Verbundenheit mit dem Keynesianismus und Ökologismus insbesondere bei SPD und Grünen.
Der Untergang der „FTD“ könnte mE auch anzeigen, daß diese raffiniert aufgeputzte Version von Destruktion, wie auch in „Stern“ und „Spiegel“, nicht mehr recht ankommt, aber auch daß die kontinentale Verbindung mit London sich möglicherweise weiter lockert.
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