An der öffentlichen Diskussion über die Leiharbeitspraktiken des Online-Händlers Amazon, die durch eine Sendung der ARD ausgelöst wurde, möchte ich mich mangels Faktenkenntnissen nicht beteiligen. Viele Leserzuschriften zu einem Artikel der „FAZ“ v. 24.2.13 bringen Vor- und Nachteile der Umwälzungen im Einzelhandel zur Sprache, wie sie von Amazon an vorderster Front repräsentiert werden. Diese Diskussion finde ich interessant.
Aber eine Frage drängt sich mE angesichts solcher Firmen wie Amazon, und auch längst schon Google, Apple etc. auf. Es handelt sich um erfolgreiche Großfirmen, die auf der fortschreitenden Digitalisierung und der Verfeinerung der Datenverarbeitung aufbauen, die in immer mehr Lebensbereichen Umwälzungen hervorrufen. Die Frage lautet zunächst etwa so: warum gibt es in Europa, insbesondere in Deutschland, keine Firmen bzw. Institutionen, die auch nur annähernd imstande wären, in dieser Liga mitzuspielen?
Meines Wissens existiert in Deutschland bzw. mit deutschen Wurzeln im IT-Bereich nur eine Firma, SAP, die mit Software für die interne Firmen- und Behördenorganisation so groß geworden ist, daß sie international annähernd konkurrenzfähig bzw. sogar führend auf ihrem Gebiet ist. Ansonsten spürt der Bürger, wenn es um die alltägliche Informationsbeschaffung im Internet geht, nicht viel von einem eventuellen Wettbewerb mit Google; oder wenn es um die bequeme und rasche Versorgung mit vielen Klassen von Waren geht, die online gekauft werden können, sieht es abgesehen von Amazon auch nicht sehr interessant, umfassend und kundenfreundlich aus.
Woran liegt das? An der mangelnden strategischen Weitsicht im deutschen Kapitalismus und Staat? An der bürgerfeindlichen Bequemlichkeit und Arroganz, mit der an alten Gewohnheiten festgehalten wird? Spielt die überlegene Macht der IT-Wirtschaft der USA, vielleicht in Verbindung mit der politischen Macht USA, eine Rolle bei der Niederhaltung potentieller Konkurrenten? Google betreibt die systematische und die ganze Welt umspannende Sammlung von Daten über die einzelnen Bürger, ihre Neigungen, Fähigkeiten und Interessen. Daß hier im Hintergrund faktisch die größte Erfassung der Weltbevölkerung hinsichtlich der individuellen Eigenschaften der einzelnen Bürger stattfindet, dürfte kaum zu bestreiten sein, und daß diese Erfassung von US-Geheimdiensten, vielleicht auch partiell von anderen, genutzt werden kann und genutzt wird, dürfte ebenfalls nur von total Naiven bestritten werden.
Möglicher- und wahrscheinlicherweise gibt es auch bei Handelsfirmen wie Amazon software-Hintertürchen für Geheimdienste, und die Erfassung der Kaufneigungen und finanziellen Möglichkeiten würde die geheimdienstlichen Datenbanken sicher auf nützliche Weise ergänzen. Darf nun auf solchen Gebieten niemand auf der Welt den USA Konkurrenz machen, und können deshalb anderswo (vielleicht mit Ausnahme Chinas?) Konkurrenten nicht aufkommen? Das Beispiel der Energiewirtschaft, insbesondere das Beispiel der im Ergebnis von Kriegen etc. erzwungenen Dominanz der internationalen Ölkonzerne, liegt ja längst vor, und es wäre denkbar, daß die Vorherrschaft der USA in der IT-Welt, auch gerade der IT-Welt Deutschlands, ähnliche Siegermachts-Hintergründe hat. Gibt es zu viel rückwärtsgewandte und servile Mentalität in der deutschen Politik und Bankenwelt?
Wenn das Handelsmodell a la Amazon sich weiter durchsetzt – die Firma soll bereits daran arbeiten, die Lieferung noch am Tag der Bestellung anzubieten – würden noch viel mehr Gänge in den Einzelhandelsladen obsolet werden und die entsprechenden Bankrotte folgen; außerdem vermute ich, daß so etwas wie Großhandel durch Firmen wie Amazon gleichfalls schwer reduziert werden wird, wenn nämlich die Produzenten Amazon direkt beliefern und zwischen der Schuhnäherei in Indonesien und dem deutschen Käufer nur noch das Amazon-Zwischenlager in PLZ 4…. liegt.
Man kann sich vorstellen, daß die ARD-Kritik an Amazon auch von den Befürchtungen vieler traditioneller Geschäfte und Unternehmen angetrieben wird, wobei die Frage auch naheliegt, wie es denn mit den Arbeitsbedingungen überhaupt, der Leiharbeit im besonderen, ihrer Entlohnung und Überwachung bei diesen eigentlich steht. Besser als bei Amazon? Es wäre zu wünschen; jedenfalls muß gegen solche Mißstände, wie sie lt. ARD bei Amazon festzustellen sind, ohne Ansehen der Inhaber der Firmen und ihrer Netzwerke mit Politik und Behörden vorgegangen werden.
Wenn über Amazon geklagt wird, muß auch einmal gefragt werden, wieso denn hierzulande niemand sonst vergleichbar kundenfreundliche Angebote machen und dies vielleicht sogar mit einigermaßen anständiger Behandlung der eigenen Belegschaften koppeln kann. Die politischen und kulturellen Hintergründe solcher Konflikte, wie sie die ARD, sicher nicht ohne Hinterleute in Politik und Geschäftswelt, jetzt hochzuspielen trachtet, natürlich ohne auf den Kern der Sache zu lenken, sind allemal der Beachtung wert.
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