Das Gesetz über schulische Inklusion in Nordrhein-Westfalen – eine konzentrierte Attacke auf die Qualität des Schulwesens

 

Im Jahre 2013 hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen mit den Stimmen der rot-grünen Regierungskoalition ein Gesetz über die grundsätzliche Aufnahme fast aller behinderten Schüler in die allgemeinen Schulen verabschiedet. Seitdem entwickelt sich nach und nach eine öffentliche Diskussion über dieses Gesetz. Nach und nach wird bekannt, welche einschneidenden Änderungen im allgemeinen Schulwesen  mittels dieses Gesetzes durchgesetzt werden sollen und zu welchem Durcheinander es in jedem Fall führen wird. In anderen Bundesländern dürfte sich Ähnliches abspielen.

 

Selbstverständlich sind gesellschaftliche Anstrengungen, Behinderte stärker in das allgemeine Leben, auch das schulische, einzugliedern, an sich nicht falsch und verdienen Unterstützung.

 

Bei alledem gilt es aber nicht nur Interessen der Behinderten an ihrer breiteren Teilnahme und der Gesellschaft insgesamt am humanen und beiderseits förderlichen Umgang mit behinderten Menschen zu beachten, sondern auch den Aufwand, den die Gesellschaft dafür erbringt. Wenn dieser Aufwand dazu führt, daß die große Mehrheit durch bestimmte Konzepte der Behindertenfürsorge in ihren Rechten und Entfaltungsmöglichkeiten deutlich beschnitten wird, dann leidet die Gesellschaft insgesamt und setzt ihre Mittel für ihre Entwicklung falsch ein.

Das nordrhein-westfälische Inklusionsgesetz ist im Gegensatz zu den schönen Sprüchen seiner Befürworter so angelegt, daß nicht nur das allgemeine Schulwesen maximal geschädigt, sondern auch die Interessen der meisten Behinderten schnöde übergangen werden. Es instrumentalisiert Behinderte zu einer Attacke auf das allgemeine Niveau von Bildung und sozialer Betreuung.

 

Die meisten Elternvertreter und Lehrer, die natürlich nicht gegen eine Verbesserung der gesellschaftlichen Fürsorge für Behinderte eingestellt sind, aber nach und nach ein mulmiges Gefühl bekommen angesichts der konkreten Änderungen, mit denen sie dieses Gesetz bereits in der nächsten Zeit konfrontieren wird, sollten sich unbedingt näher damit befassen und die öffentliche Diskussion mit besserer Kenntnis des Gesetzes bereichern. Sonst werden sie sich in nicht allzu ferner Zukunft sagen lassen müssen, daß sie ihre Verantwortung für die junge Generation ganz schlecht wahrgenommen haben. Die Lehrer werden sich zudem mit einer Epidemie von burnouts in ihren eigenen Reihen auseinandersetzen müssen.

 

Ich werde ein paar Details der Inklusionspolitik in Nordrhein-Westfalen ausführen.

 

Zuvor muß erwähnt werden, daß die UN-Konvention über die Rechte von Behinderten von 2006 nicht zur Rechtfertigung der deutschen Inklusions-Gesetzgebung angeführt werden kann. Es ist eine glatte Lüge, wenn Politiker wie Sylvia Löhrmann (die grüne Schul- und Bildungsministerin und Koalitionspartnerin von Hannelore Kraft -SPD – in Nordrhein-Westfalen) behauptet, mit ihrem Gesetz werde die Forderungen der UN-Konvention umgesetzt. Im englischen Text der Konvention kommt zwar der Begriff Wort „inclusive“ vor, er hat aber mit der Konzeption des inklusiven Unterrichts in Deutschland, der Aufnahme fast aller behinderten Schüler in die allgemeinen Klassen, nichts zu tun

 

Dazu ein eigener Abschnitt weiter unten, als Anhang gekennzeichnet.

 

Das Gesetz von NRW konkret

 

Das Nordrhein-Westfalen-Gesetz fordert die Aufnahme fast aller Behinderten in die allgemeinen Schulen. Parallel werden die Kommunen als Schulträger, verantwortlich für die Schulbauten und deren Ausstattung, verpflichtet, die Förderschulen größtenteils aufzulösen unter irgendwelchen selbstgeschaffenen Vorwänden, bspw. daß sie nach neuen Gesichtspunkten nicht mehr groß genug seien. Kinder und Jugendliche mit fast allen Arten von Behinderungen – Rollstuhlfahrer, Blinde, Gehörbehinderte und Gehörlose ebenso wie Menschen mit angeborenen schweren Einschränkungen der intellektuellen Kapazitäten, Autisten, Aggressive usw. werden in die allgemeinen Schulen kanalisiert, wo in den allermeisten Fällen die Voraussetzungen fehlen, ihnen selbst ein Vorankommen zu erleichtern und der großen Mehrheit der nichtbehinderten Schüler ein ungestörtes Lernen.

 

Um die Umleitung der behinderten Schüler in die allgemeinen Schulen für alle Seiten nicht nur erträglich, sondern förderlich – wie es das Gesetz in Anspruch nimmt – zu gestalten, müßten sehr viele Dinge mit einem enormen gesellschaftlichen Aufwand umgestaltet werden.

 

Die baulichen Maßnahmen sind dabei nur ein Teil. Aufzüge, Behindertentoiletten, akustisch gedämmte Klassenräume, separate Nischen in den Räumen gehören in diesen Katalog. Seine Umsetzung würde Milliarden verschlingen und eine ganze Reihe von Jahren in Anspruch nehmen, wenn er ernst genommen würde. Die konkreten Finanzzusagen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Kommunen für diese Zwecke sind demgegenüber lächerlich winzig, und angesichts der uferlosen Verschuldung des Landes wie überhaupt des deutschen Staatswesens und der seit vielen Jahren bereits wirksamen politischen Grundtendenz, am Bildungswesen zu „sparen“, wäre es realitätsfern zu hoffen, daß wenigstens der unnmittelbare finanzielle Aspekt der Inklusion gebessert werden könnte. In Wirklichkeit bekommen die Kommunen über die nächsten Jahre ein paar Millionen zugesagt, mit denen dann ein paar Aufzüge und ein paar Toilettenräume in Auftrag gegeben werden. Da die Kommunen solche Aufträge gern vergeben, um den ihnen befreundeten Bau- und Handwerksfirmen etwas zukommen zu lassen, während für pädagogische Verantwortung es bei ihrem politischen Personal aber zumeist schon an elementarer Kultur fehlt, haben sie z.T. bereits ihren Widerspruch gegen das Inklusionsgesetz zurückgezogen und geben sich zufrieden.

Die Pädagogik ist aber die noch viel größere Baustelle.

Das Inklusionsgesetz läuft darauf hinaus, dem Gros der Lehrerschaft zusätzliche Aufgaben beständiger fachgerechter Betreuung der unterschiedlichsten Gruppen von behinderten Schülern zuzuweisen. Wollte man seitens der Regierung ernsthaft die Lehrerschaft entsprechend qualifizieren, wären ganze Wellen von Fortbildungen über eine ganze Reihe von Jahren hin erforderlich, viele Unterrichtsstunden müßten dafür ausfallen und viele zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden. Das können höchstens Spinner für real halten. Außerdem werden die Lehrer schon einmal garnicht gefragt, ob sie dergleichen überhaupt wünschen, sich selbst für befähigt halten etc. Konkret müßten bspw. Lehrkräfte für Englisch, Deutsch oder Mathematik neben ihren Unterrichtspflichten noch über mehrere Jahre hinweg die Qualifikationen von Förderschul-Lehrern erwerben, wie sie zum Umgang mit Lernbehinderten, Gehörlosen, sozial Gestörten etc. erforderlich wären.

Das Konzept der Landesregierung sieht vor, das Gros der Lehrkräfte, die bisher mit ihren besonderen Ausbildungen an den Förderschulen tätig sind, auf die allgemeinen Schulen zu verteilen. Dort sollen sie anscheinend so etwas wie Springer werden, die mal in dieser, mal in jener Klasse einen Teil der Unterrichtszeit verbringen, um den dort einzugliedernden behinderten Schülern Betreuung und den regulären Lehrkräften Entlastung zu bieten.

Es würde sich den konkreten Verhältnissen entsprechend allerdings um eine enorme Verdünnung der sonderpädagogischen Betreuung der behinderten Schüler handeln. In den Förderschulen haben diese bisher während der gesamten Unterrichtszeit Anspruch auf fachgerechte Betreuung. In den inkludierten Klassen nach dem Modell Löhrmann/Kraft  hingegen müßten sich die behinderten Schüler nicht nur ständig mit einer Umgebung auseinandersetzen, die ihre eigenen Überforderungen bereit hält, sondern auch weitgehend auf die Unterstützung pädagogisch qualifizierten Personals verzichten.

Es ist sicher ein relativ kleines Problem, zwei oder drei Schüler im Rollstuhl in eine Klasse zu integrieren, und die sonstigen Schüler können dabei selbstverständlich etwas an Rücksichtnahme und Verständnis lernen.

Was aber können bspw. Lernbehinderte von dem gemeinsamen Unterricht profitieren, wenn sie den größten Teil des allgemeinen Stoffs nicht verstehen und den größten Teil der Zeit niemand da ist, der ihnen hilft und/oder das ihnen entsprechende Unterrichtsprogramm parallel bereistellt? Was profitiert auf der anderen Seite die Mehrzahl der Schüler von Lehrern, deren Aufmerksamkeit zumindest teilweise von den besonderen Problemen von Behinderten in Anspruch genommen wird? Leidet der bisherige Unterricht nicht denn schon sehr oft unter der unzureichenden pädagogischen Zuwendung der Lehrkräfte für den einzelnen Schüler mit seinen individuellen Problemen, aber auch seinen individuellen Stärken? Werden nicht schon im „normalen“ Unterricht gerade die begabteren Kinder und Jugendlichen ständig unterfordert und gelangweilt, weil in den – meist zu großen Klassen – die Lehrkräfte mehr als genug mit dem Hinterherziehen der schwächeren Schüler zu tun haben? Die sog. Inklusion wird derartige Probleme in vielen Fällen erheblich verschärfen, zu größerem Frust bei Lehrern und Schülern und nicht zuletzt auch bei vielen behinderten Schülern führen. Man muß sogar befürchten, daß neue Animositäten gegenüber Behinderten aus solchen Verhältnissen erwachsen werden.

 

Die Inklusion und die „neue Offenheit“ der Pädagogik

 

Die Befürworter der Inklusion verweisen manchmal darauf, daß der zusätzliche Umgang mit behinderten Schülern bei den Lehrern auch zu einer neuen pädagogischen Offenheit führen kann und soll. Diese werde dann allen Schülern zugute kommen. Das ist in der Tat ein interessanter Punkt. Dazu möchte ich aufgrund meiner eigenen Beobachtungen mit meinen eigenen Schulkindern, manchem Gespräch mit Pädagogen und der Verfolgung der öffentlichen Diskussion ein paar – hoffentlich nicht zu subjektive – Bemerkungen machen.

In den Schulen, insbes. den weiterführenden, herrscht heute weitverbreitet (natürlich aber nicht ohne Ausnahmen) eine Nivellierung nach unten. Aufgrund des Mangels an Lehrern überhaupt, d.h. der zu großen Klassen, insbesondere aber auch des Mangels an den erforderlichen Qualifikationen und Motivationen bei vielen Lehrern finden die Begabungen,  Interessen, die Kreativität vieler Kinder und Jugendlicher keineswegs die Förderung, die sie beanspruchen können – und im Interesse der gesamten Gesellschaft auch beanspruchen müssen. Letzteren Aspekt möchte ich besonders betonen. Er kommt mE in der gesamten pädagogischen Diskussion zu wenig zur Geltung. Gerade Deutschland ist das, was es im Positiven ist, vermittels eines relativ starken Bildungssystems geworden, das im Verlauf von Jahrhunderten aufgebaut worden ist. Nun wird es im Verlauf weniger Jahrzehnte grundlegend verschlechtert. Die herrschende Bildungspolitik, insbesondere die grün eingefärbte, legt die Axt an die Wurzeln, sie ist ein elementar antideutsches Programm, wesentlich wirksamer im Negativen als die gelegentlichen provokativen Auftritte irgendwelcher „Antideutscher“ in der Öffentlichkeit.

Die meisten pädagogischen Energien werden heute wohl darauf verwandt, die weniger am Lernen etc. Interessierten doch irgendwie für irgendwelche mäßigen Abschlüsse vorzubereiten – die Anforderungen der Abschlüsse sind auch gesenkt worden –  nicht aber eine anregende, den Wissenstrieb aller, insbesondere der Voranstrebenden fördernde Atmosphäre zu schaffen. D.h. wir haben seit längerem eine relativ systematische Nivellierung nach unten.

Für die Gesamtheit der Schülerschaft dürfte allerdings auch gelten: die herrschenden Unterrichtsformen, manchmal auch die -inhalte, sind viel zu wenig darauf orientiert, auf den natürlichen Wissens- und Betätigungsdrang, der Kindern und Jugendlichen innewohnt, zu reagieren, ihn für das Lernen nutzbar zu machen, ihn zu steigern. Es gibt viel zu viel Stoff, der weil er eben im Lehrplan steht, den Schülern in den Hals gestopft wird – worauf gerade Begabtere, insbesondere Jungens, häufig mit Verweigerung reagieren -, während zu wenig von den Interessen und Motivationen und Lern-Eigenheiten der Schüler ausgegangen wird. Letzteres würde die Lehrpläne natürlich relativieren, aber das bessere Lernen ermöglichen.

Bei den Inklusionspädagogen heißt es nun, für die Behinderten in den allgemeinen Klassen müßten die Lehrer differenzieren lernen; die Einrichtungen der Schulen müßten anregender gestaltet werden, überhaupt müsse die gesamte Pädagogik befähigt werden,viel mehr auf die Individualitäten der Behinderten einzugehen. Das ist wohl nicht falsch, aber es erheben  sich verschiedene Fragen dazu. Beispielsweise nach den Klassengrößen. Manche Lehrer, die bereits Erfahrung mit Inklusion haben, sagen, bei etwa 15 Schülern pro Klasse könne man unter Einschluß von behinderten Schülern und ständiger Mitarbeit von sonderpädagogischem Fachpersonal angemessen arbeiten. Die Schulpolitik der inkludierenden Landesregierung von Nordrhein-Westfalen denkt allerdings auch nicht im Entferntesten daran, solche Bedingungen zu schaffen.

Es stellt sich auch die Frage,  wieso man derartige Forderungen nach Unterrichtsformen, die differenzierter, individualisierter, kreativitätsfördernder wären, nicht  längst für die Nicht-Behinderten, die große Mehrheit erhoben hat – oder, wenn sie denn erhoben wurden, warum so wenig für ihre pädagogische Umsetzung geschehen ist. Wenn jetzt im Zusammenhang mit den Inklusionsprojekten daran gearbeitet werden sollte, die allgemeine Pädagogik im Interesse behinderter Schüler zu verbessern, dann fragt es sich, warum nicht schon längst an der grundlegenden Verbesserung der Pädagogik und der Ausstattung der Schulen für die große Mehrheit gearbeitet worden ist. Offensichtlich ist hier regierungsseitig sehr wenig geschehen, und wenn jetzt ein erheblicher Teil der knappen personellen und sächlichen Ressourcen der allgemeinen Schulen den aufzunehmenden Behinderten zugute kommen soll, werden die pädagogische Qualität und die Ausstattung für die Mehrheit mit Sicherheit noch mehr leiden.

 

Daher ist das Inklusionsgesetz in seinem Kern nicht eine Maßnahme für die Behinderten, sondern eine gegen die Mehrheit, und die  Behinderten selbst werden ebenfalls in ihrer Mehrheit den Schaden davon haben.

Es ist eine konzentrierte Attacke auf die Qualität des gesamten Schulwesens.

 

Privatschulen sind von der Pflicht zur Inklusion ausgenommen (!)

Ein Highlight der Gesetzgebung, jedenfalls in Nordrhein-Westfalen, ist die Ausnahme der Privatschulen von der Inklusions-Pflicht.

Wir beobachten ohnehin angesichts des generellen Abwärtstrends der allgemeinen Schulen, insbes. an den weiterführenden Schulen, eine Zunahme des Privatschulwesens, i.w. im Interesse der deutlich reicheren Teile der Gesellschaft. (Der generelle schulische Abwärtstrend ist allerdings nicht nur schulpolitisch bedingt – mit einer solchen Behauptung täte man vielen Verantwortlichen doch Unrecht – sondern wird auch aus allgemeinen gesellschaftlichen Abwärtstrends gespeist wie den zunehmenden Unfähigkeiten bei Eltern, bei ihren Kindern elementare kulturelle Grundlagen zu legen.) Wenn nun die allgemeinen öffentlichen Schulen demnächst noch zusätzlich durch die zahlreichen ungelösten Inklusions-Probleme belastet werden, werden zahlungskräftige Eltern diese Schulen noch stärker meiden. Die oberen Schichten halten sich raus, die Gesellschaft wird noch ungleicher, während die Inklusions-Befürworter, die diese Wirkungen verschulden, der Mehrheit predigen, es gehe um mehr Gleichheit und eigentlich seien alle ja irgendwie behindert. Bloß die Kinder der Reichen anscheinend nicht. Insofern liegt das Inklusions-Gesetz wie auch viele anderen durchaus im Trend der weiteren Spaltung der Gesellschaft, die sich inmitten des öffentlichen wohlmeinenden Geredes  von der sozialen Verantwortung faktisch vertieft.

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Zu den übergeordneten politschen Trends, in die sich solch ein Produkt wie das Inklusionsgesetz von Nordrhein-Westfalen einfügt, möchte ich auf mehrere meiner früheren Beiträge verweisen, v.a. auf:

„Der Ruin Deutschlands – System und Ziel“ v. Juli 2011

sowie aus den letzten Monaten „Die Große Koalition und die sogenannte Sozialdemokratisierung der Union“ (Dez. 2013).

 

 

Anhang:

 

Was hat die Behindertenrechte-Konvention der UN von 2006 mit der Frage der Inklusion in Deutschland zu tun?

Hier zunächst der englische Text des Artikels 24 („Education“) und die beiden konkurrierenden deutschen Übersetzungen:

 

 

UN-Behindertenrechts-Konvention von 2006, daraus:

Article 24 – Education

1. States Parties recognize the right of persons with disabilities to education. With a view to realizing this right without discrimination and on the basis of equal opportunity, States Parties shall ensure an inclusive education system at all levels and life long learning directed to:

  1. The full development of human potential and sense of dignity and self-worth, and the strengthening of respect for human rights, fundamental freedoms and human diversity;
  2. The development by persons with disabilities of their personality, talents and creativity, as well as their mental and physical abilities, to their fullest potential;
  3. Enabling persons with disabilities to participate effectively in a free society.

2. In realizing this right, States Parties shall ensure that:

  1. Persons with disabilities are not excluded from the general education system on the basis of disability, and that children with disabilities are not excluded from free and compulsory primary education, or from secondary education, on the basis of disability;
  2. Persons with disabilities can access an inclusive, quality and free primary education and secondary education on an equal basis with others in the communities in which they live;
  3. Reasonable accommodation of the individual’s requirements is provided;
  4. Persons with disabilities receive the support required, within the general education system, to facilitate their effective education;
  5. Effective individualized support measures are provided in environments that maximize academic and social development, consistent with the goal of full inclusion.

3. States Parties shall enable persons with disabilities to learn life and social development skills to facilitate their full and equal participation in education and as members of the community. To this end, States Parties shall take appropriate measures, including:

  1. Facilitating the learning of Braille, alternative script, augmentative and alternative modes, means and formats of communication and orientation and mobility skills, and facilitating peer support and mentoring;
  2. Facilitating the learning of sign language and the promotion of the linguistic identity of the deaf community;
  3. Ensuring that the education of persons, and in particular children, who are blind, deaf or deafblind, is delivered in the most appropriate languages and modes and means of communication for the individual, and in environments which maximize academic and social development.

4. In order to help ensure the realization of this right, States Parties shall take appropriate measures to employ teachers, including teachers with disabilities, who are qualified in sign language and/or Braille, and to train professionals and staff who work at all levels of education. Such training shall incorporate disability awareness and the use of appropriate augmentative and alternative modes, means and formats of communication, educational techniques and materials to support persons with disabilities.

5. States Parties shall ensure that persons with disabilities are able to access general tertiary education, vocational training, adult education and lifelong learning without discrimination and on an equal basis with others. To this end, States Parties shall ensure that reasonable accommodation is provided to persons with disabilities.

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Zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung

Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006

Quelle: Bundesgesetzblatt (BGBL) 2008 II, S. 1419

„Artikel 24

Bildung

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,

a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken;

b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;

c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

(2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;

b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;

c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;

d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern;

e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

(3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichtern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen; unter anderem

a) erleichtern sie das Erlernen von Brailleschrift, alternativer Schrift, ergänzenden und alternativen Formen, Mitteln und Formaten der Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- und Mobilitätsfertigkeiten sowie die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen und das Mentoring;

b) erleichtern sie das Erlernen der Gebärdensprache und die Förderung der sprachlichen Identität der Gehörlosen;

c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere Kindern, Bildung in den Sprachen und Kommunikationsformen und mit den Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem Umfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet.

(4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein.

(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.“

 

 

„Schatten-Übersetzung“ (die von „Inklusions“-Befürwortern angefertigte, in ihren Augen verbesserte Übersetzung):

 

„Artikel 24

Bildung

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,

a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken;

b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;

c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichenwirksamen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

(2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;

b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;

c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;

d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreichewirksame Bildung zu erleichternermöglichen;

e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen IntegrationInklusion wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

(3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichternfördern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen; unter anderem

a) erleichternfördern sie das Erlernen von Brailleschrift, alternativer Schrift, ergänzenden und alternativen Formen, Mitteln und Formaten der Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- und Mobilitätsfertigkeiten sowie die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungenden peer support und das Mentoring;

b) erleichternermöglichen sie das Erlernen der Gebärdensprache und die Förderung der sprachlichen Identität der Gehörlosengehörlosen Menschen;

c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere Kindern, Bildung in den Sprachen und Kommunikationsformen und mit den Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem Umfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet.

(4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein.

(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner tertiärer BildungHochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.“

Soweit der offizielle Text sowie die beiden deutschen Übersetzungen.

 

Hierzu ist aus meiner Sicht zu sagen:

 

Die englischen Ausdrücke „inclusion“ bzw. „inclusive“ sind weder mit den deutschen Ausdrücken „Integration/integrativ“ (offizielle Übs.) noch mit „Inklusion/inklusiv“ (Schatten-Übs.) deckungsgleich.

 

 

Im deutschen Sprach- und Politikgebiet wird unter „Inklusion“ verstanden die verpflichtende Aufnahme aller bzw. fast aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen wie Lernstörungen, grundlegenden Unfähigkeiten zur vollen Bewältigung des allgemeinen Lernstoffs  und/oder schweren Störungen des sozialen Verhaltens in die Klassenverbände der allgemeinen Schulen. Dieses Vorstellung wird von dem englischen Originaltext nicht unterstützt.

 

Was befürwortet der englische Originaltext?

 

Im übergeordneten Abs. 1 des Artikels 24 („Education“) wird ein „inclusive education system“ (umfassendes Bildungs-System) für die Behinderten gefordert.

 

„State Parties recognize the right of persons with disabilities to education. With a view to realizing this right without discrimination and on the basis of equal opportunity, States Parties shall ensure an inclusive education system at all levels and lifelong learning…”

 

Daraus kann keinesfalls eindeutig zwingend die inklusive Schulklasse nach den derzeitigen deutschen Regierungskonzepten abgeleitet werden. Der Ausdruck kann mit mindestens ebenso viel Berechtigung als Forderung nach einem Bildungssystem mit unterschiedlichen Einrichtungen für die unterschiedlichen Formen der Behinderungen verstanden werden, d.h. bspw. auch nach einem System von Förderschulen für Behinderte.

 

Der UN-Text des Artikels 24 enthält auch weitere Formulierungen, die darauf hinweisen, daß er auf andere Dinge zielt als das deutsche Inklusions-Konzept.

 

Nicht weniger als die Hälfte des Artikels befaßt sich ausschließlich mit ganz bestimmten Formen der Behinderung, nämlich Blindheit, Taubheit oder Taubstummheit, und fordert von den Staaten, die betr. Menschen zur Teilnahme am allgemeinen Bildungssystem zu befähigen. Von anderen Formen der Behinderung, die in Deutschland gleichfalls oder sogar vorzugsweise als Voraussetzungen für die Inklusion betrachtet werden –  Einschränkungen der intellektuellen Kapazitäten oder der sozialen Kompetenzen – ist hingegen in Art. 24 nicht ausdrücklich die Rede.

 

Ich vermute, daß die andersartige Ausrichtung des UN-Dokuments mit seiner politischen Funktion zu erklären ist. Als UN-Dokument muß es sich an die Mehrheit der Staaten der Welt richten, eine Mehrheit, die bisher wenig entwickelt ist und bekanntlich noch entsprechend wenig für ihre Bürger mit solchen Formen der Behinderung wie Blindheit, Taubheit oder Taubstummheit getan hat, man denke nur bspw. an Afrika. Blinde, Gehörlose oder Taubstumme bilden in vielen wenig entwickelten Ländern eine bedeutende und wohl zumeist bisher weitgehend vernachlässigte Bevölkerungsgruppe. Hier muß man selbstverständlich einschneidende staatliche Maßnahmen fordern, damit sie am Bildungswesen teilnehmen können, und dies spiegelt sich in dem UN-Dokument. Solche Menschen haben im allgemeinen Defizite an Sinnesorganen, aber nicht oder nicht so sehr an intellektuellen oder sozialen Kompetenzen. Viele von ihnen wären grundsätzlich in der Lage, höhere Schulabschlüsse und berufliche Qualifikationen zu erreichen, anders als die „zieldifferenten Abschlüsse“, die das NRW-Gesetz für die Inkludierten mit schwacher Intelligenz oder schwacher Selbstkontrolle vorsieht. Für Blinde, Gehörlose und Taubstumme existiert in Ländern wie Deutschland längst ein entsprechender Sektor an besonderen Schulen,  und es fände mit deren Inklusion in allgemeinen Schulen, wie es befremdlicherweise das NRW-Gesetz ebenso wie mit den anderen Behinderungsformen vorsieht, nur eine Umstrukturierung statt – wie destruktiv auch immer die ausfallen wird.

Offensichtlich zielt die UN-Konvention in erster Linie auf deutlich andere gesellschaftliche Verhältnisse und hat primär andere Formen der Behinderung im Fokus als in Deutschland.

 

Auch hieran wird klar, daß die Inklusions-Befürworter in Deutschland das UN-Dokument erheblich „interpretieren“, wenn sie es als angeblich zwingende Forderung an Deutschland hinstellen. Wahrscheinlich haben die meisten es ohnehin nicht gelesen, und die es getan haben und das Dokument trotzdem als ihre Rechtfertigung beanspruchen, gehen wohl davon aus, daß die Öffentlichkeit schon nicht so genau hinschauen wird.

 

Von der Aufnahme von Menschen mit schweren Einschränkungen der intellektuellen Kapazitäten oder der sozialen Kompetenzen in die allgemeinen Klassen, wie das die deutschen Inklusions-Befürworter anstreben,  ist also in Art. 24 überhaupt nicht die Rede. Seine ausdrückliche Konzentration auf Formen der Behinderung ohne solche schweren Einschränkungen der intellektuellen Kapazitäten oder der sozialen Kompetenzen läßt die deutschen Inklusions-Befürworter links liegen. Sie verdrehen die Intention des Artikels 24 und versuchen ihn in eine Charta ihrer eigenen recht speziellen Intentionen umzufunktionieren.

 

 

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Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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