Kaum ist Merkel zurück vom Treffen mit Trump, landen die USA auf zwei empfindlichen Gebieten erneut Tiefschläge gegen Deutschland und indirekt auch die EU: beim Militär und dem sog. „Freihandel“.
Deutschland soll die „Schulden“ an die USA bezahlen, die es aufgehäuft habe, indem es sich von den USA habe militärisch verteidigen lassen.
Und auf der G20-Konferenz der Finanzminister etc. haben die USA sich offenbar keine Verpflichtung abringen lassen, auf die angekündigte protektionistische Politik, bspw. in Form von Importzöllen auf Waren aus Deutschland, zu verzichten.
Es gibt hier mindestens zwei Seiten, die näher zu beleuchten wären: die Absichten der USA, die mit der neuen Regierung nach und nach deutlicher werden, und die Situation der europäischen Länder, genauer gesagt der EU, und Deutschlands im Besonderen.
Zunächst nur kurz und allgemein zu den USA: zweifellos haben die USA seit dem 2. Weltkrieg im NATO-Bündnis den betr. europäischen Staaten viele militärische Aufwendungen erspart, indem sie deren Schutz vor etwaigen Angriffen der früheren Sowjetunion und deren Nachfolgestaat Russland versprochen haben. Es ging dabei allerdings, vor allem in den Jahrzehnten bis etwa 1970, durchaus nicht immer und grundsätzlich nur um Schutz vor Aggressionen aus dem Osten, sondern gleichzeitig auch um den Aufbau eines eigenen aggressiven Potentials „gegen den Kommunismus“. Auch später war in der militärischen Politik der USA und ihrer europäischen Bundesgenossen immer ein merkwürdiges Gemisch zu beobachten zwischen Vorkehrungen, welche Aggressionen der Sowjetunion (die jedenfalls nach 1970 durchaus im Bereich des Möglichen lagen) vorbeugen sollten, und Rüstungen, welche eigene aggressive Potentiale der USA gegenüber der Sowjetunion und Russland in Europa und mittels der Bündnisverpflichtungen europäischer Staaten aufbauen sollten.
In den letzten Jahren ist klargeworden, dass die USA weniger denn je auf die Einkreisung Russlands verzichten, die von europäischem Territorium über den Vorderen Orient bis nach Afghanistan reicht. Mit Deutschland und Frankreich sowie anderen europäischen Ländern hat diese Einkreisungspolitik spätestens in der Ukraine-Frage zu Zusammenstößen geführt, da diese Länder eine derartige von den USA gesteuerte Politik der militärischen Konfrontation mit Russland nicht mehr verkraften können und auf Kompromisse mit Russland aus sein müssen. Dies alles auch im Zeichen des Aufstiegs Chinas, das mittlerweile die internationale Vorherrschaft der USA programmatisch herausfordert und im Bündnis mit Russland ein militärisches Potential entfalten könnte, das den USA fundamental gefährlich würde. Die ökonomischen Beziehungen mit China und die Erhaltung eines einigermaßen von Großmachtkriegen verschonten eurasischen Raumes sind für Europa essentiell.
Das NATO-Bündnis ist seitens der USA bereits in Gestalt des Brexit faktisch aufgekündigt, und es bleibt den Europäern nichts übrig, als eine möglichst geschickte internationale Diplomatie mit dem Aufbau eigener militärischer Stärke zu kombinieren, die nicht von heute auf morgen zu haben ist. Man darf es sich in der heutigen Situation weder mit Russland zu sehr verderben, noch kann man ganz auf militärische Kooperation mit den USA zur Abwehr gewisser Aggressivitäten verzichten.
Die Forderung der USA an Deutschland nach Zahlung von angeblichen NATO-Schulden ist abwegig und unverschämt, weil das militärische Bündnis der USA mit europäischen Staaten immer alles andere als uneigennützige Verteidigung „gemeinsamer Werte“ gewesen ist und weiterhin ist. Der Aufbau von USA-Militärmacht in Europa und mittels europäischer Bundesgenossen diente zu allen Zeiten den Weltherrschafts- und Welt-Ausbeutungs-Interessen der USA. Im Zeichen der weltweiten Hegemonie des USA-Kapitalismus sind diesem auch aus Europa unermessliche Profite zugeflossen und fließen ihm noch immer zu.
Um sich nur einen kleinen Bruchteil dieser Beziehungen zu vergegenwärtigen, denke man nur einmal an die lange Zeit völlig unangefochtene Dominanz der USA in der europäischen Energiewirtschaft („Ölmultis“) und in der internationalen Finanzwelt. Die Dollar-Hegemonie allein schon bedeutet für das US-Kapital seit vielen Jahrzehnten eine Quelle von Extraprofiten, d.h. für die meisten anderen mit den USA ökonomisch verknüpften Länder einen ständigen Abzug von deren Volkseinkommen. Hinzu kommt der noch immer ungebremste Zufluss internationalen Kapitals, gerade auch europäischen, in die immensen Schuldensümpfe der US-Regierung, direkter gesprochen: in den Miltärapparat, mit dem wiederum alle Staaten, einschließlich der „in gemeinsamen Werten verbundenen“ entwickelten kapitalistischen Staaten in Europa, in Botmäßigkeit gehalten werden sollen. Die Schutzleistungen der USA für Europa wurden längst von Europa – und vielen anderen in der Welt – doppelt und dreifach bezahlt, und wenn das nicht so wäre, hätten die USA sie längst eingestellt. Im Gegenteil haben sie jedoch immer alles dafür getan, dass die Schutzbedürftigkeit der Bundesgenossen erhalten blieb, und das wird in der Zukunft eher noch schärfer werden. Wer schützt die Europäer bspw. davor, dass die USA unterderhand russische Aggressivitäten ermuntern, um den Europäern erneut als einzigen Ausweg die Flucht unter den US-Schutzschirm erscheinen – und sie dafür noch mehr bezahlen zu lassen, in Geld und in politischen Konzessionen.
Seit der sog. Finanzkrise hat sich der US-Finanzsektor auf Kosten gerade auch des europäischen erneut gestärkt. Die US-Banken wie GoldmanSachs stehen heute, wie jedenfalls in den Medien behauptet wird, international stärker da und die europäischen schwächer, obwohl das US-Finanzkapital der Hauptursprung der Krisenmomente war (man fragt sich, ob die Entfesselung der Krise nicht ein solches Kalkül im Hintergrund hatte). Die US-Regierung hat ihnen in allem sehr tatkräftig geholfen, und nun verspricht Trump ihnen noch weitere Entfesselungen – zweifellos um sie im Kampf gegen europäische Finanzstrukturen zur Mäßigung anzuhalten, oder was? Gleichzeitig übrigens mit erheblichen weiteren Steigerungen des Militäretats. Wenn die Europäer nunmehr auf den Schutz durch das US-Militär verzichten müssen, fragt es sich umso mehr, auf wen die gesteigerte Militarisierung zielt.
Nun noch ein paar Bemerkungen zum „Freihandel“. Mit diesem Wort ist eigentlich die in den letzten Jahrzehnten besonders intensivierte internationale Beweglichkeit des Kapitals, vor allem der großen Konzerne und des Finanzkapitalismus gemeint, die zu ungeahnten Profitmassen geführt hat. Man konnte sich relativ „frei“ auf die Ausbeutung vieler hunderter Millionen rechtloser Arbeitskräfte, z.B. in China, auf die in erheblichem Umfang auch ruinöse Ausbeutung von Naturschätzen werfen – und gleichzeitig die Stammländer, die USA selbst und auch in gewissem Maße europäische Länder, von produktiver Arbeit entleeren, viele Menschen entwurzeln, Infrastrukturen und Bildung verschlechtern, ja regelrecht verkommen lassen. Wenn Trump tönt, Deutschland, China, Mexiko etc. bluteten die USA aus, dann „vergisst“ er, dass die USA selbst, US-Konzerne, das US-Kapital insgesamt der Haupttreiber und Hauptprofiteur dieser „Freizügigkeit“ gewesen sind und noch immer sind. Daran soll sich auch garnichts ändern, aber andere Staaten, die bisher mitprofitiert haben, sollen nun wohl künftig noch mehr von ihren Profiten an die USA abgeben müssen und an Freizügigkeit einbüßen. Ob die inneren Verhältnisse der USA sich im Zeichen vermehrter internationaler Ausbeutung verbessern werden, die Trumps Politik dem US-Kapital anscheinend verspricht, kann man mit drei Fragezeichen versehen. Der Appell und das Versprechen an die US-Arbeiter“klasse“, ähnlich wie schon in der Brexit-Propaganda das an die britische, sind lächerlicher kaum denkbar.
Und ob die neue chinesische Macht sich solche Trumpschen Herabstufungen bieten lässt, ist mehr als fraglich. Selbst die Europäer sind zum Widerstand gezwungen. Dabei birgt die noch stärkere Anbindung an China, wie sie jetzt hier als eine Idee in Umlauf gesetzt wird, für Europa ihrerseits große Gefahren.
An Trumps Anschuldigung, Deutschland dumpe seine Exportpreise, ist andererseits auch etwas Wahres. Wenn man auch den USA ihrerseits unfairen Wettbewerb, brutalen internationalen Monopolismus etc. (s.o.) vorwerfen kann, muss man bei den deutschen Exporterfolgen, neben der anscheinend international beliebten und immer noch bestehenden Qualität deutscher Exportwaren, auch konstatieren, dass diese Waren konkurrenzfähig auch nur deshalb angeboten werden können, weil Deutschland seine eigenen Arbeitskräfte skrupellos entwertet, inzwischen ganze Heere von Unterbezahlten, Prekären, Illegalen beschäftigt, soziale Sicherungssysteme wie die Rente in die Katastrophe steuert, die Bildungssysteme unverantwortlich verbilligt, usw. Und das deutsche Kapital profitiert auch erheblich von der Billigarbeit, die es sich in anderen Ländern, bspw. Osteuropas, aneignet und deren Produkte es in die eigenen Fertigungen integriert.
Praktiken wie diese muss man selbstverständlich den USA nicht erklären, die darin seit vielen Jahrzehnten die unangefochtenen internationalen Meister sind und sie ihren „in gemeinsamen Werten verbundenen“ Bundesgenossen nicht nur erlauben, sondern sogar aufgrund ihrer bisherigen internationalen Hegemonie und des bisherigen „Freihandels“-systems überhaupt erst richtig ermöglichen. Sollten die USA nunmehr tatsächlich und einigermaßen konsequent daran gehen, dieses ökonomische Modell im eigenen Interesse und zum direkten Schaden Deutschlands, Chinas und anderer zu überarbeiten, hätte das vielleicht auch gute Seiten. Vielleicht müsste Deutschland, müsste Kontinentaleuropa auf Teile der internationalen Ausbeutung verzichten, die bisher unter dem Schirm der USA so „billig“ zu haben war, und sie müssten Anstrengungen machen, die innere ökonomische Kraft wieder zu heben. Das wäre ein komplexes Unterfangen, das außer Löhnen und Infrastruktur bspw. auch Kultur und Bildung beträfe, an denen im Zeichen der bisherigen internationalen Freizügigkeit des Kapitalismus nicht nur Raubbau, sondern geradezu gezielter Abbau betrieben wird.