Gesichtspunkte zur Frage USA-Korea. Trumps Initiative und China

Kurz vor dem Treffen des nordkoreanischen Chefs Kim Jong-un mit dem US-Präsidenten Trump in Singapur möchte ich doch rasch noch versuchen, ein paar politische Gesichtspunkte zu formulieren, die mE bei der Analyse der Trumpschen Initiative und der möglichen Ergebnisse des Treffens hilfreich sein könnten.

Die USA sind in den letzten Jahren im westpazifischen Raum durch China enorm herausgefordert worden und dürfen sicher sein, dass der chinesische Druck weiter anwachsen wird. Trump versucht nun demgegenüber eine strategische Neu-Balancierung der regionalen Allianzen zugunsten der USA, derzeit vor allem indem er die Koreafrage in die Hand nimmt. Anscheinend will er den Koreanern eine deutliche Wiederannäherung der beiden Teile, in der Perspektive sogar die Wiedervereinigung versprechen und sie damit beide stärker an die USA heranführen, zum Schaden vor allem des Einflusses Chinas in Nord-, aber auch in Südkorea.

 

Es ist nicht schwer zu verstehen, dass große Teile der koreanischen Nation in Süd und Nord nun erstmals seit so vielen Jahren eine  reale Chance zu sehen meinen, die grausame Trennung von nunmehr 65 Jahren überwinden zu können. Der südkoreanische Präsident Moon jedenfalls scheint sehr aktiv mitzuwirken an einer direkten Annäherung  zwischen Süd und Nord, und bis jetzt sieht er wohl Trumps Willen, die bisherige Gleichgewichtslage zwischen USA, China, Russland und anderen in der Region und insbesondere in der Koreafrage aufzubrechen, als eine Chance für Wünsche seiner Bevölkerung,  zumindest des südkoreanischen Kapitals.

Wenn ich mir hier erlaube, eine Formulierung wie „die bisherige Gleichgewichtslage“ zu gebrauchen, dann muss ich zumindest kurz erläutern, was ich damit meine.

Korea wurde im Ausgang des 2. Weltkriegs zwischen den beiden Haupt-Siegermächten in Ost und West, den USA und der Sowjetunion, geteilt. Bekanntlich wurde ja auch in Europa zwischen ihnen (Großbritannien war als kleinere Mit-Siegermacht beteiligt) eine Teilung der Einfluss-Sphären, und im Falle Deutschlands eine regelrechte harte Aufteilung vereinbart; ein ähnliches Schicksal verhängten sie über Korea, obwohl dieses eine ganz andere Stellung einnahm als Deutschland, das unter der Nazidiktatur in Europa mit verschiedenen Aggressionen den großen Krieg maßgeblich heraufbeschworen hatte – Korea war Kolonie des japanischen Imperialismus gewesen, am Krieg in Ostasien völlig unschuldig, und es hätte von der Niederlage, die dem japanischen Imperialismus durch die USA und die Sowjetunion zugefügt worden war, mit Recht eine Restituierung seiner nationalen Souveränität erwarten dürfen. Die koreanischen Kommunisten unter Kim Il-sung und andere koreanische Nationalisten hatten selbst im Kampf gegen die japanische Kolonialmacht viele Opfer gebracht.

Stattdessen musste Korea eine Teilung hinnehmen, die den Machtbereich der „Partei der Werktätigen“ unter Kim Il-sung, die den Hauptteil des antikolonialen Widerstandes gegen den japanischen Kolonialherren geleistet hatte, auf den Norden beschränkte und dem Süden unter US-Schutz eine Restauration der Macht der reaktionärsten und wirtschaftlich rückständigsten Großgrundbesitzer aufdrückte.

Die Partei Kim Il-sungs wurde 1950 bei  ihrem Versuch, die Teilung durch militärischen Einmarsch in den Süden rückgängig zu machen, von erheblichen Teilen des Volkes im Süden unterstützt, und die USA mussten enorme militärische Macht und wüsten Terror gegen die Aufständischen in  Süd und Nord aufwenden, um das Blatt zu wenden. Korea wurde zerbombt wie zuvor nicht einmal Deutschland.

Die Sowjetunion konnte aufgrund ihrer Nachkriegsverpflichtungen gegenüber den USA und der Existenzbedrohung, die ein Krieg gegen die USA über sie heraufbeschworen hätte, nicht  eingreifen und musste sich auf Friedensmahnungen beschränken; statt ihrer sprang China unter Mao Zedong in die Bresche und rettete mit dem Einsatz hunderttausender eigener Soldaten auf koreanischer Seite wenigstens dem Norden eine von den USA unabhängige staatliche Existenz.

Die Konstellation beim Waffenstillstand 1953 hat formell bis heute Bestand, allerdings hat sich das gesamte internationale Gefüge, in das die koreanische Teilung eingeschrieben wurde, seitdem mehrfach erheblich verändert. Die Sowjetunion und China waren zunächst  die Hauptgaranten der Existenz des formell sozialistischen Nordstaates gewesen; die SU existiert nun aber bereits seit 1991 nicht mehr, nur eine von einem Putin geleitete kapitalistische Oligarchenrepublik mit einem militärischen Wasserkopf, aber schwachem ökonomischem Unterbau ist noch auf Teilen des früheren Territoriums der SU festzustellen. China hat sich vom Sozialismus losgesagt und ist unter einem entfesselten Kapitalismus mit scheinbar unbegrenztem ökonomischem Potential nicht so sehr zum wirtschaftlichen, sondern zum politisch-militärischen Herausforderer der USA im Weltmaßstabe geworden. Alle ostasiatischen Staaten stehen vor der Wahl, sich China anzunähern und nach und nach in dessen wachsenden Imperium aufzugehen, oder in irgendeiner Weise sich dem zu entziehen.

In den letzten Jahrzehnten stützte sich Nordkorea, ein Winzling nach Bevölkerungsmasse und ökonomischer Potenz, bei der Behauptung seiner relativen Unabhängigkeit und seinem in der Tat ungewöhnlich kecken militärischen Auftreten gegenüber den USA sowie deren Verbündeten Südkorea und Japan vor allem darauf, dass alle größeren Beteiligten, China, Russland und auch die USA selber,  Nordkorea als den Joker Ostasiens gegenüber den jeweiligen Konkurrenten auszuspielen wussten.

Die nordkoreanische Führung hat es bisher geschafft, sich Jahrzehnte lang, durch die Ausnutzung der Gegensätze vor allem zwischen den USA, China und Russland, trotz miserabler eigener Ökonomie eine beträchtliche Nuklearrüstung  zuzulegen, sich als der Schrecken der ostasiatischen Nachbarschaft und sogar als – in der Propaganda – angeblicher Bedroher der USA zu etablieren.

Um das zu verstehen, habe ich selbst nur einige Anhaltspunkte an der Hand, die ich im weiteren kurz anführen möchte. Was daran falsch oder unvollständig ist, bitte ich interessierte Leser zu kritisieren.

Die merkwürdigste Facette ist das Interesse der USA selbst an der Aufrechterhaltung eines martialisch drohenden Nordkorea; aber das erklärt sich schon einmal dadurch, dass der Süden immer wieder an die Kandare der USA gezwungen werden konnte, indem der Norden irgendwelche Aggressionen verübte, gegenüber Annäherungsversuchen aus dem Süden stets ein Wechselbad von Tauwetter und Brüskierung anwandte. Die USA waren immer insgeheim der oder ein Hintermann der nordkoreanischen Unversöhnlichkeit gegenüber dem Süden.

Auch Japan konnte sich dem Drängen wesentlicher Teile seines Establishments nie wirklich entziehen, gegenüber einer nordkoreanischen Nukleardrohung doch bitte den Schutz der großen transpazifischen Schutzmacht nicht zu verspielen.

In der letzten Zeit sind mehrere Berichte erschienen, dass Nordkorea seine Raketen- und Nukleartechnik im wesentlichen Russland verdankt. Russland hat in seinem „Fernen Osten“, der ja an Korea angrenzt, eigentlich sowohl gegenüber den USA als auch gegenüber China eine sehr schwache Position. Die USA haben, auch aufgrund der bisherigen Militärbündnisse in diesem Raum, vor allem denen mit Südkorea und Japan, noch immer eine relativ starke militärische Position dort. Wenn Russlands Osten nur sehr schwach besiedelt, ökonomisch unbedeutend und militärisch kaum zu verteidigen ist gegenüber den USA, vor allem aber gegenüber China, dann ist es für Russland sicher eine wichtige Option, so etwas wie ein nuklear gerüstetes Nordkorea zu haben, das man ggf. gegenüber den USA, aber vielleicht auch gegen China ausspielen kann, evtl. auch gegenüber Japan, mit dem Russland in diesem Raum seit über einem Jahrhundert in schwere Konflikte verwickelt war, wovon bspw. die Kurilenfrage ein Überbleibsel ist.

Ähnliches gilt für China, das wohl für Nordkoreas ökonomisches Überleben eine ausschlaggebende Rolle spielt – ähnlich wie Russland für das militärische. Auch China dürfte damit kalkulieren, dass die nordkoreanische Raketenmacht andere Länder der Region nach Schutz ausschauen lässt, der ja nicht unbedingt immer nur von den USA geboten werden muss, sondern vielleicht auch von China. Anders herum kann ein Nordkorea als insgeheim oder offener verbündeter Nuklearstaat von China gegenüber den anderen ostasiatischen Ländern, v.a. gegenüber Japan, und sogar gegenüber den USA selber als erhebliches Druckmittel eingesetzt werden – so oder ähnlich, vermute ich, laufen bestimmte Kalkulationen auf chinesischer Seite.

Ich vermute also, dass China, Russland und auch die USA selber immer in den letzten Jahrzehnten die heimlichen Aufrechterhalter und Garanten des im Grunde unmöglich gewordenen nordkoreanischen Gebildes gewesen sind und noch sind.

Nordkorea ist der Joker im Spiel der Mächte gegeneinander im Westpazifischen Raum und konnte seine Position nur halten, indem es nie zu sehr sich in eine überwiegende Abhängigkeit von einem der drei Großen manövriert, sondern sie immer gegeneinander ausgespielt hat. Es muss Gründe geben, warum Nordkorea jetzt zumindest mit der Möglichkeit spielt, eine andere Konstellation mit heraufzuführen.

 

Trump muss angesichts der schwindenden Stellung der USA in Ostasien Ungewöhnliches versuchen, um neue Verbündete gegenüber China zu bekommen und vielleicht alte Bündnisse wieder zu festigen.

 

Sollte es den USA gelingen, dem nordkoreanischen Regime die – begründete – Furcht zu nehmen, dass die USA erneut in Korea militärisch zuschlagen könnten; sollten sie mit ökonomischen Zusagen es verstehen, Nordkorea die  – begründete – Angst vor dem wirtschaftlichen Kollaps zu nehmen, sollten sie dem koreanischen Volk erstmals eine Chance auf nationale Vereinigung – unter US-Schirm – realistisch erscheinen lassen können, dann könnten nordkoreanische Denuklearisierungs-Versprechen und tatsächliche Öffnungen gegenüber südkoreanischem Kapital, vielleicht auch US-amerikanischem und japanischem Kapital erreicht werden, und das ganze Land könnte stärker auf die Seite der USA und der von den USA geführten potentiellen antichinesischen Allianz (Japan, Taiwan, evtl. Philippinen, Vietnam usf.) gezogen werden.

Dass China Trumps Initiative mit Besorgnis sieht und sie zu kontern versucht, ist nicht nur völlig logisch, sondern wurde bereits mehrfach in Medien angesprochen – obwohl die in der Regel nicht gern analysieren, dass Trumps Korea-Initiative nicht in den nordkoreanischen Atomwaffen, sondern in der Rivalität mit China ihren Hauptgrund hat.

China dürfte in dieser Sache es auch nicht bloß mit ein paar Treffen mit Kim Jong-un versuchen, sondern alle möglichen Hebel in Bewegung setzen.

Es wird, wenn die USA nicht sowieso bald einknicken –  bspw. weil starke Teile des US-Establishments es keineswegs auf eine größere Konfrontation mit China hinauslaufen lassen möchten, sondern im Gegenteil mit China gegen alle anderen sich zu arrangieren gedenken – auf eine größere Kraftprobe hinauslaufen. Chinas Chancen sind dabei mE nicht unbedingt die besten, denn weder Nord- noch Südkorea haben ein Interesse an einer graduellen Verwandlung in Außenprovinzen Chinas, noch die anderen ostasiatischen mittleren und kleinere Mächte wie Vietnam, die Philippinen usf. Sie würden wahrscheinlich ein Abrücken Koreas von China begrüßen und sogar den Preis einer Wiederzunahme der Macht der USA in ihrem Raum in Kauf nehmen.

Russland wird wahrscheinlich in die sich abzeichnenden Verschiebungen irgendwie sich einpassen. Trump ist im Prinzip bestrebt, Russland von einem engeren Zusammengehen mit China (vor allem in militärischer Hinsicht) abzubringen und wird wohl versuchen, sich die Neutralität oder sogar ein Mitspielen Russlands bei den angestrebten Verschiebungen in Ostasien zu erkaufen.

 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.