Notizen zur Jahreswende – die Infragestellungen der Globalisierung. Deutschland

Diese Jahreswende gibt Gelegenheit zur Vergegenwärtigung mehrerer Tendenzen zu großen Veränderungen in der Weltgesellschaft.

 

Übersicht:

Globalisierter Kapitalismus: was kann er, welche Widersprüche schafft er?

Die vielfältigen Verknüpfungen Deutschlands mit der Globalisierung, mit der Rivalität zwischen USA und China….

Die weltweiten sozialen Zuspitzungen zwischen armen und reichen Ländern sowie innerhalb der reichen und der armen Länder

Deutschlands Politik in Sachen ökonomisch-technischer Disruption, Energie und Verkehr, Migration und sittlicher Maßstäbe

 

In den Beziehungen der großen kapitalistischen Staaten zueinander zeigen sich mehr Spannungen, Gegnerschaften und sogar Feindschaften, vor allem zwischen den USA und China, und die Lage Europas wird unsicherer und gefährdeter. Soziale und politische Widersprüche werden sichtbarer auch innerhalb der USA und Chinas, aber keineswegs nur hier, sondern bspw. auch innerhalb Europas; viel schärfer allerdings im wachsenden Elend vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Solche Tendenzen können schon seit längerem beobachtet werden, mittlerweile allerdings kann man mE mit größerer Gewissheit und Dringlichkeit davon sprechen.

Globalisierter Kapitalismus: was kann er, welche Widersprüche schafft er?

Alle haben mit dem Zentralbegriff „Globalisierung“ zu tun. Offensichtlich hat „Globalisierung“ in den vergangenen Jahrzehnten so viel internationalen und sozialen Zündstoff hervorgebracht, dass sie nun von unterschiedlichsten politischen Richtungen in Frage gestellt wird. Andere verteidigen sie: in Deutschland  bspw. sind die etablierten Parteien, Medien und viele Unternehmen gar nicht begeistert von dem Aufbrechen von Widersprüchen, die in den vergangenen Jahrzehnten sich doch mehr oder weniger zwangsläufig entwickeln mussten; sie tendieren anscheinend mehrheitlich zu Versuchen, von ihrem bisherigen Status in der globalisierten Welt, der ihnen so  viele Vorteile eingebracht hatte, soviel wie möglich zu bewahren.

Kern der sog. Globalisierung war die – für das Kapital – möglichst freie internationale Mobilität. Sie hatte sich bereits seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und wurde damals mit Ausdrücken wie  „Neue Internationale Arbeitsteilung“ erfasst,  war aber zunächst noch stark eingeschränkt durch die Existenz der Sowjetunion mit ihrem eigenen Wirtschaftsblock sowie durch China, dessen internationaler ökonomischer Austausch von den großen kapitalistische Ländern, wenn nicht völlig boykottiert, so doch sehr gering gehalten wurde. Auch große Entwicklungsländer wie Indien waren dem westlichen Kapitalismus nur ziemlich eingeschränkt zugänglich. Mit dem schließlichen Kniefall der Überbleibsel der Sowjetunion vor dem westlichen Kapitalismus (1989 ff.)  und mit der graduellen Erschließung Chinas durch kapitalistische Kräfte von innen und außen zeigte sich der Kapitalismus immer mehr global dominierend.

Seitdem hat er gezeigt, nicht nur was er kann, sondern auch, wessen er im zerstörerischen Sinne fähig ist, und welche explosiven Widersprüche er immer wieder erzeugt, nachdem man zu Beginn dieser Phase prominenten Flachköpfen noch Plattformen für Faseleien vom Ende der Geschichte, der vermeintlichen Ewigkeit seiner „Ordnung“  zur Verfügung gestellt hatte.

Globalisierung bedeutet: das Kapital investiert, wenn es seine Potenz und sein politischer Einfluss ermöglichen, frei rund um die Welt dort, wo ihm die profitabelsten Bedingungen gegeben werden: wo die Arbeitskräfte möglichst billig und unfrei sind, wo die Rohstoffe und die Naturbedingungen möglichst ungehindert ausbeutbar sind. Ferner spielen eine Rolle solche Fragen wie:  wo winken die größten Absatzmöglichkeiten, wo befinden sich Zentren des internationalen Finanzkapitals, die die raschesten und größten Geschäfte unter möglichst nichtexistenter Kontrolle durch nationale Gesetze und Fiskalbehörden ermöglichen. Dabei werden solche Zentren wie die Wall Street oder die Londoner City  ergänzt bspw. durch sog. Steueroasen. In einem solchen System lassen sich auch globale Finanzmanipulationen, die Aufsaugung von Verbrechensprofiten ins finanzkapitalistische System und Betrügereien am kleineren Besitzer am besten organisieren….

Die meisten Staaten sind aufgrund solcher Entwicklungen längst nicht mehr Herr im eigenen Hause. Das Konzept des souveränen Nationalstaats findet desto weniger Entsprechungen in der Praxis, je kapitalschwächer und kleiner diese Staaten sind; umgekehrt gesprochen, können weiterhin die USA und China, in denen sich die größten kapitalistischen Ballungen und die stärksten Armeen finden, ein erhebliches Maß an nationalstaatlicher Souveränität praktizieren. Den europäischen Staaten bleibt nichts übrig als sich zu einer Union zusammenzuschließen und große Teile ihrer nationalen Einzelsouveränitäten an diese abzugeben, um gegenüber den wirklich Großen noch ein gewisses Maß an – gemeinschaftlicher – Autonomie zu bewahren bzw. wieder zu gewinnen.

Große Teile der übrigen Welt bieten jämmerliche Bilder großer bis totaler Ausgeliefertheit an das, was an der Wall Street, im Silicon Valley, in Brüssel oder aber auch in China für profitabel oder schlecht gehalten wird. Dass der Nationalstaat sowieso überholt sei, wird demgemäß massiv den Schwächeren gepredigt. In den USA selbst oder erst recht  in China muss man sich mit solchen Erleuchtungen in der Öffentlichkeit allerdings eher zurückhalten, soweit sie  den eigenen Laden betreffen würden.

Dass nicht nur das Kapital global überallhin gehen dürfen müsse, wo die billigste und wehrloseste Arbeitskraft in Massen zu finden ist, sondern dass man auch Teile der Weltbevölkerung möglichst hindernislos über alle nationalen Grenzen hinweg dorthin verschieben dürfen solle, wohin Kapitalinteressen sie dirigieren möchte, ist eine weitere Ausdrucksform  des kapitalistischen Globalisierungstriebs.

Die vielfältigen Verknüpfungen Deutschlands mit der Globalisierung, mit der Rivalität zwischen USA und China….

Ich möchte im Folgenden das Beispiel Deutschland  etwas näher beschreiben.

Deutschland  ist engstens mit allen oben angeführten Problemkomplexen verknüpft  – mit der Verschärfung zwischen den USA und China, mit der Entwicklung in Afrika und im Vorderen Orient zum Beispiel -, es ist aber auch mit seinen – noch immer irgendwie herausragenden – Kapazitäten in der Umsetzung von Wissenschaft und Technik in industrielle Produkte und in ökonomische Organisation ein sehr interessanter Austragungsort von kapitalistischen Grundwidersprüchen. Damit meine ich z.B. den Widerspruch zwischen der im Prinzip rasanten ständigen Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte, die man nicht nur, aber gerade auch in Deutschland  weiterhin beobachten kann,  und der Sorge der besitzenden Klassen um die Bewahrung der kapitalistischen Grundstrukturen. Dieser Widerspruch  führt zu den wunderlichsten Verrenkungen wie beispielsweise in der Energie- oder der Verkehrspolitik. Dazu weiter unten Näheres.

 

Bevor ich in ausführlicherer Weise mich zu den deutschen Entwicklungen äußere, müssen allerdings die übergeordneten globalen politischen Entwicklungen kurz skizziert werden.

Die wichtigste Linie ist die zunehmende Rivalität zwischen den USA, dem bisherigen kapitalistischen Welthegemon, und dem aufstrebenden China, das diese Hegemonie nie akzeptiert hat, und nicht nur das: sie nun unter kapitalistischen Vorzeichen selbst zu übernehmen sich anstrengt.

Man muss hier vorweg einmal konstatieren, dass diese intensive Rivalität, die das Zeug zu großen Kriegen hat, in direkter Linie auf die Einwirkung des westlichen Kapitalismus unter globaler Führung der USA selbst zurückzuführen ist. Die USA waren ein wesentlicher Motor der Umwandlung des zuvor sozialistischen und ausgesprochen selbstgenügsamen China in eine kapitalistische Macht und im weiteren konsequenterweise in eine Supermacht, die eben wegen ihres kapitalistischen Strebens den Kampf um internationale Expansion und den Kampf um die Vorherrschaft  gar nicht vermeiden kann; die kapitalistischen Strukturen zwingen sie dazu.

Der Hegemon USA hat sich seinen Herausforderer selbst mit geschaffen und kämpft nun vorrangig mit einem Gebilde, das seine heutige Existenz in hohem Maße der Strategie des Westens selbst verdankt.

Dieser paradox erscheinende Stand der Dinge findet bei einer bestimmten Richtung von Journalisten immer wieder den folgenden Erklärungsversuch: der Westen, insbesondere die USA, hätten mit ihrer massiven Förderung der Entwicklung des Kapitalismus in China und derjenigen chinesischen politischen Strömungen, die gleichfalls den Kapitalismus durchsetzen wollten, die Hoffnung verbunden, China werde sich dem Westen immer mehr anähneln, die „Demokratie“ entwickeln und sich in das „Konzert der demokratischen Mächte“ eingliedern – das quasi selbstverständlich als US-Hegemonie funktioniert, jedenfalls im Weltbild solche Strategen. Leider aber hätten die Hoffnungen getrogen, es stecke eben doch noch viel zu viel hartnäckiger „Kommunismus“ in den Köpfen der dominierenden Richtungen der Staatspartei und zu wenig Kooperations- und Demokratie-Wille.

Zur Erklärung dieses krassen Falles von poltischer Fehleinschätzung anderer Mächte und auch von enormen Fähigkeiten bei Autoren und Politikern im Westen, sich in die eigenen Taschen zu lügen,  könnte man vielleicht zwei oder drei unterschiedliche Ansätze versuchen.

Der eine liegt in der immer wieder zu beobachtenden Blindheit kapitalistischer Ideologen und Politiker für bedeutende geschichtliche und kulturelle Fakten. Diese vom Gewinnstreben versimpelten Gehirne begreifen die Welt vor allem als Geflecht von Finanzströmen; im Falle China hat man wohl nicht wahrhaben wollen oder schlicht aus purer Unbildung nicht gewusst, dass China als eine der ältesten, festgefügtesten und selbstbewusstesten Hochkulturen mit jahrtausendealtem eigenartigem hegemonialem Anspruch sich keinesfalls der Hegemonie einer anderen Macht zu fügen bereit ist – wenn es auch zeitweise, solange die eigene ökonomische und militärische Macht dazu nicht ausreicht, davon nicht redet.

Der andere Erklärungsansatz könnte darin liegen, dass es im Kapitalismus eine unausgesprochene Tendenz gibt, dem Widerspruch zwischen der faktischen Herrschaft des großen Geldes und den sozialen und demokratischen Ansprüchen im Innern,  denen der Westen insgesamt seinen historischen Aufstieg erheblich mit verdankt, zu entfliehen, indem man sich mit weniger demokratischen, autoritäreren, kulturell weniger aufgeklärten Gesellschaften und deren politischen Führungen arrangiert, sich mehr dorthin verlagert, ja verschmilzt  und auf diese Weise dem eigenen inneren Widerspruch mehr Reaktion entgegensetzen könnte. (Zu meiner Einschätzung der Entwicklung des Kapitalismus in China s. den Beitrag v. 16.5.2016, auch in Englisch)

Ein Außenseiter-Autor, der Brite Martin Jacques, hat für diese Tendenz in seinem Buch „When China rules the world“ sogar explizit geworben. Er meint, die Welt werde besser fahren, wenn sie sich nach und nach unter dem Dach der chinesischen Hegemonie einrichte und die konfuzianischen Sprüche von gesellschaftlicher Harmonie, Unterordnung unter Autoritäten und Zügelung eigenen Strebens (das nach dem großen Geld wohl ausgenommen, wgr.) zu praktizieren versuche.

In der Tat, da stimme ich Jacques zu, wäre die chinesische imperiale reaktionäre bürokratische Tradition, die zweifellos in der heutigen sog. „kommunistischen“ Partei Chinas massiv weiterlebt, in der Tat besser geeignet, das Plus an politischer und kultureller Reaktion bereitzustellen, das der heutige westliche Kapitalismus anscheinend für sein Überleben benötigt. Sie wäre in dieser Sicht der Dinge besser geeignet, mit dem kulturellen Erbe und dem weiterhin virulenten aufmüpfigen und kritischen Potential der westlichen Gesellschaften auf schnödkapitalistische, hier auf kapitalistisch-konfuzianische Weise zurande zu kommen.

Eine konkrete Richtung innerhalb des US-Imperialismus, die gleichfalls zu dem Aufstieg des Herausforderers China mit beigetragen haben dürfte, strebt eine dauerhafte Ko-Hegemonie der USA zusammen mit China über den „Rest der Welt“ an. Diese Richtung wird bspw. von dem früheren US-Außenminister Kissinger oder dem chinesischen Multimilliardär Jack Ma repräsentiert. Auf US-Seite dürfte bei solchen Visionen die Einsicht eine Rolle spielen, dass die USA als alleiniger Welthegemon auf die Dauer überfordert sind. Es drohen den USA bspw. auch die Verselbständigung Europas, das jahrzehntelang  der wichtigste kapitalistische Vasall und Helfer weltweit war, und eine dauerhafte Verständigung Europas mit Russland und dessen bedeutenden militärischen Potential, als eine langfristig gefährliche Herausforderung. Dem könnte man ein festes Bündnis der USA mit China entgegensetzen – so meinen möglicherweise derartige Strategen – und auf längere Sicht Europa wie Russland in die Knie zwingen und ausbluten.

Übrigens scheint Trump einer derartigen Vision einer strategischen hegemonialen Kooperation der USA mit China  wenig Erfreuliches abgewinnen zu können und eher auf ein Wiedererstarken der USA gegenüber China zu setzen. Dazu braucht er vor allem Russland, dessen zu enge, vor allem dessen militärische liaison mit China verhindert werden muss; er braucht mehr Spielraum für neue wechselnde internationale Bündnisse, und vielleicht rührt u.a. daher auch sein Widerwille gegen etablierte alte internationale Verstrickungen der USA wie die NATO.

Sollten die USA diese Politik längere Zeit durchhalten, ergäben sich sowohl für Europa wie für Russland einige Manövriermöglichkeiten, und die inneren Widersprüche in China müssten sich heftiger artikulieren. Sie könnten weniger durch massive imperiale Expansion (Stichwort „Neue Seidenstraße“ bzw. OBOR) überdeckt und abgeleitet werden.

Die ziemlich verbissene Opposition in Europa oder jedenfalls in Deutschland  gegen Trump dürfte sich zu einem erheblichen Teil aus der Furcht erklären, nunmehr zu großen Anstrengungen bspw. auf dem Gebiet eigenen militärischen Potentials und  auf dem Gebiet der Gewinnung neuer internationaler Partner (auch gegen die USA und gegen China) gezwungen zu werden. Bisher war ja das Leben so bequem, der Hegemon hatte die dicksten Waffen und die Stützpunkte fast überall auf der Welt, und unter diesem Schirm konnte man selbst einen großen Teil der Superprofite aus der Globalisierung ziehen. Mentale Degeneration bei einem großen Teil der Politikerkaste hatte längst um sich gegriffen. Jetzt werden die internationalen Profite  wohl kleiner wegen des “Handelskriegs“ der USA, wegen des befürchteten Schrumpfens der Ökonomie Chinas  (was wird bloß aus VW???) und man muss künftig ziemlich viel für die Selbstbehauptung ausgeben, man muss sich anstrengen, wie schrecklich….Clinton/Obama waren da doch viel umgänglicher…..

(Diese Mentalität hat viele unschöne Mittäterschaften bei den Verbrechen der USA gezeugt; in den letzten Tagen hat sie bspw. zu der absurd anmutenden Blüte geführt, dass deutsche Politiker Trump kritisiert haben, weil der die US-Truppen aus Syrien zurückziehen will – das sei „Destabilisierung“. Wer hatte denn Syrien nicht nur „destabilisiert“, sondern verwüstet, wenn nicht die USA unter Obama und Clinton mit ihren proxies wie Saudi-Arabien, und hatte es nicht ein klares Interesse Deutschlands gegeben, dass dem ein Ende gesetzt wird?)

Die weltweiten sozialen Zuspitzungen zwischen armen und reichen Ländern sowie innerhalb der reichen und der armen Länder

Nach diesen länglichen Ausführungen zu internationalen Fragen muss ich betonen, dass ich hier nicht unbedingt den Hauptwiderspruch der Entwicklung des globalisierten Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten sehe.

Ein anderer Aspekt der Entwicklung liegt jedenfalls in den starken Veränderungen der sozialen Strukturen in allen Ländern. Der globalisierte Kapitalismus verändert heftig das gesellschaftliche Innen sowohl der Hauptakteure, der westlichen kapitalistischen Mächte und der chinesischen bürokratischen Bourgeoisie, wie auch der vielen schwächeren Länder, die von der kapitalistischen Expansion in eher passiven Rollen erfasst worden sind. Vielleicht existieren auf dem Globus heute ein paar Länder, deren soziale Strukturen weniger verändert wurden, aber das dürfte eher eine Randgruppe sein.

Die Globalisierunghat in zahlreichen großen und mittleren Ländern v.a.  Ostasiens, aber auch in Indien und anderswo zu einer partiellen, aber hochbedeutsamen Proletarisierung geführt, und in den alten Industrieländern zu einer nicht weniger bedeutsamen weitgehenden Entproletarisierung. Gleichzeitig zeigen sich sowohl in den sich neu industrialisierenden Schwellenländern wie auch den alten früheren Industrieländern erhebliche Segmente der Bevölkerungen als mehr oder weniger Abgehängte, als Menschenmassen, mit denen dieser Kapitalismus nichts anfangen kann und mit denen er auch möglichst wenig Kosten und Scherereien haben will.

Aus den USA, noch in den siebziger Jahren ein führendes Industrieland mit einem zahlreichen, teilweise halbwegs auskömmlich bezahlten Proletariat,      ist infolge der Abwanderung vieler Produktionen für erhebliche Teile der Bevölkerung ein Land der Hoffnungslosigkeit, der Verelendung, des massenhaften Drogenkonsums und der Selbstmorde geworden, in dem ein Demagoge wie Trump leicht politische Befürworter findet, wenn er den Willen vorspielt, das Land zu re-industrialisieren,  in der internationalen ökonomischen Konkurrenz wieder zu stärken und vor dem verderblichen Einstrom illegaler Billigarbeiter zu schützen. Was er seinem Publikum allerdings niemals sagen würde: es war nicht China, das die Industrie und die Sozialstrukturen in den USA ruiniert hat, sondern es war der US-Kapitalismus selbst, der aus zahlreichen Gründen seine Produktionen nach China, Mexiko und anderswohin verlagert hat, der eine umfangreiche , hauptsächlich illegale Immigration organisiert hat, um die Preise der Arbeitskraft auch in den USA in Richtung Drittwelt-Niveau zu drücken.

In China hat sich unter dem inneren und internationalen Kapital ein riesiges neues Proletariat entwickelt. Allein die Zahl der sog. Wanderarbeiter, der ihrer Landrechte beraubten und entwurzelten Bauernbevölkerung, die in die Industriezentren und die großen Städte ziehen, um dort unter schäbigen und ausdrücklich diskriminierenden Bedingungen wenigstens etwas Geld zu verdienen, wird auf etwa 300 Millionen geschätzt bei einer Gesamtbevölkerung von 1400 Millionen.

In anderen ostasiatischen und südasiatischen Ländern wie Vietnam, Kambodscha, den Philippinen, wie in Indien, Bangladesch etc. konzentrieren sich in den Weltmarktfabriken und ihren Wirtschaftszonen gleichfalls viele Millionen entwurzelter bisheriger Landbewohner als neues Proletariat. Aber nur eine Minderheit der Menschen, die die kapitalistische Entwicklung vom Land vertreibt, findet neue Arbeit; vielerorts nimmt die Verslumung nicht ab, sondern zu. Die Glitzerzentren der neuen Metropolen in diesen globalisierten Ländern werden es immer weniger schaffen, das zunehmende Massenelend zu überstrahlen.

Kürzlich wurde auf die jetzt in Gang gekommene zunehmende Automatisierung selbst komplizierter Arbeitsgänge bspw. in der Bekleidungsindustrie aufmerksam gemacht. Bisher war das Nähen einer Jeans noch immer Handarbeit. Vielen Millionen zumeist weiblicher Proletarier in den Bekleidungs- und Schuhfabriken Asiens droht perspektivisch die Arbeitslosigkeit, weil hochentwickelte Maschinen solche Produktion übernehmen und billiger machen, als es selbst mit den Hungerlöhnen Asiens bisher möglich war. Viele Produktionen könnten hochautomatisiert in die alten Zentren, in die Nähe der Hauptabsatzmärkte zurückkehren. Wahrscheinlich betrifft die Roboterisierung auch andere Branchen.

Was werden die herrschenden Kreise der Länder, in denen die Jeans und die Schuhe genäht wurden, die Mikrowellenöfen etc. pp. von den Bändern purzelten, tun können und wollen, wenn ihre Einfügung in die globalen kapitalistischen „Wertschöpfungsketten“  zurückgeht, obsolet wird und ihnen nicht nur Millionen entwurzelter Bauern und Slumbewohner, sondern auch die Arbeiterinnen und Arbeiter gegenübertreten, die bisher Beschäftigung gefunden und damit in gewisser Weise die verkommenen Strukturen dieser Länder stabilisiert hatten? Hier werden Rebellionen unausweichlich, die erneut die Welt erschüttern können.

Auf andere Weise problembeladen als solche sozialen Entwicklungen der Schwellenländer kommen die sozialen Entwicklungen in den reichen Ländern daher, in denen Kapital und Mittelschichten bislang von der Globalisierung profitieren. Es ist häufig von der „Dienstleistungsgesellschaft“, von der “Spaßgesellschaft“ etc. die Rede, um typische Entwicklungen hier zu charakterisieren.

Die „Dienstleistungsgesellschaft“ ist ein Schlagwort, das vieles vernebelt. Sie umfasst ein heterogenes Potpourri unterschiedlichster Aktivitäten, das von outgesourcten zentralen Funktionen der materiellen Produktion, bspw. IT- oder Wartungsdiensten der Industrie bis zu teilweise ausgesprochen dekadent-luxuriösen Branchen der Unterhaltung, des Reisens etc. reicht. Einen zentralen Bereich der „Dienstleistungsgesellschaft“ bilden die zahllosen Institutionen der Finanzwirtschaft, die erhebliche Teile (bspw. Renten und Rücklagen) des früher erwirtschafteten Reichtums und des aus der globalen Ausbeutung hereinströmenden Reichtums verwalten, diesen umverteilen und dabei sich selbst viel Gutes tun.  Banken, Versicherungen, Finanz- und Steuerberater, Anwälte etc. pp. prägen das Bild der Ökonomie viel mehr als früher.

Der Ausdruck „Spaßgesellschaft“ bezeichnet eine Vermehrung von freier Zeit und entsprechenden Aktivitäten, in deren Genuss nicht wenige Mitglieder der reichen Länder kommen, nicht immer zugunsten von Bildung, Leistungsfähigkeit und Leistungswillen namentlich bei Jüngeren. Während hier bei Teilen der Gesellschaft die Arbeitszeit sich vermindert, wächst der Arbeitstag Vieler in den armen Ländern auf 12 und mehr Stunden. Dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, liegt an den Grundfunktionen des globalisierten Kapitalismus. Zwar tendieren die intelligenteren Formen der Produktion und Verteilung, die sich vor allem in den reichen Ländern konzentrieren, von sich aus auch zur Verminderung der Masse der gesellschaftlich notwendigen Arbeit und damit zur Entlastung zumindest von Teilen der arbeitenden Bevölkerung, doch muss man andererseits auch analysieren, wie Teile der Profite aus der Superausbeutung der ärmeren Teile der Welt auch an untere Schichten der Bevölkerungen der reichen tröpfeln und  mit für soziale „Beruhigung“  sorgen. Das war schon immer eine Hauptfunktion des imperialistischen Kolonialsystems, das sich in der heutigen Globalisierung fortsetzt.

Der globale Kapitalismus prekarisiert große Teile der Weltbevölkerung, indem er ihre bisherigen ökonomischen Zusammenhänge zunehmend unter seine Kontrolle bringt, aber ihnen selbst keine aktive ökonomische Funktion zubilligt. Auf dem Lande wird die Subsistenzwirtschaft verdrängt vom Agrarkapitalismus und dem internationalen Agrobusiness, aber nur eine Minderheit der Entwurzelten findet andere Arbeit. Alle sollen dem Kapital selbst die elementarsten Waren abkaufen müssen, aber nur eine Minderheit kann in den kapitalistischen Zusammenhängen das Geld dazu verdienen.

Dieser Widerspruch ist in der armen Welt allgegenwärtig, aber auch in der reichen wächst der prekäre Sektor und bringt solche Früchte hervor wie wahrscheinliche Altersarmut erheblicher Teile der heute Arbeitenden. Ein Beispiel: in Deutschland  ist das System der umlagefinanzierten Rente nur noch partiell gültig. Es setzte voraus, dass die aktuell Arbeitenden genug verdienen, um mit ihren Rentenbeiträgen die Rentner anständig zu versorgen. Wenn der Kapitalismus Billiglöhnerei und prekäre Arbeitsverhältnisse und auch Perioden von Massenarbeitslosigkeit ausweitet, kann die Umlage aber keinesfalls mehr ausreichen.

Die Ideologen der Globalisierung haben uns empfohlen, als Schröder (SPD), Fischer(Grüne)  und Riester(SPD, ein „Gewerkschafter“)  das Umlagesystem angriffen, die Renten zu privatisieren, d.h. die Rentenbeiträge in finanzkapitalistische Fonds umzulenken, die in den globalisierten Kapitalismus investieren, anders ausgedrückt: lasst doch die Dritte Welt unsere Renten erarbeiten. Aber eines der hervorstechenden Ergebnisse der globalen kapitalistischen Strukturen sieht so aus, dass es dort ein noch riesigeres Prekariat und im allgemeinen überhaupt keine Renten gibt, und in unseren Breiten immerhin  auch mehr Prekariat und unsicherere Renten. Profitiert vom globalen Kapitalismus haben Andere, in früher unvorstellbaren Dimensionen.

 

 

Deutschlands Politik in Sachen ökonomisch-technischer Disruption, Migration und sittlicher Maßstäbe

Und nun endlich weiter zu Deutschland  und einigen seiner Besonderheiten im System der Globalisierung.

In Deutschland  sorgt bspw. der Disruptions-Druck für Unruhe und erhebliche tatsächliche soziale Schäden.

Disruption, ein englischer Ausdruck, steht für die mehr oder weniger gewaltsame Entwertung bisher etablierter Produktions- und Verteilungsstrukturen durch sog. innovative, die durch Kapitalübermacht und/oder durch staatliche Gesetze durchgesetzt werden.  Amazon „disrupted“ bisherige Handelsstrukturen und zahllose kleinste bis größte Unternehmen dieses Bereichs. Die deutsche Energiewende „disrupted“ mittels staatlicher Gesetze, die angeblich umweltfreundlich sind, die Stromerzeugung aus Kohle und Kernenergie, nun krempelt sie zunehmend auch die Automobilindustrie um.

Die Politik der disruption kann unmittelbar auf die heutigen Verwertungsprobleme des Kapitalismus zurückgeführt werden.

Hervorstechendes Ziel ist die Aufputschung der lahmenden Profitabilität des entwickelten Kapitalismus. Man sucht nach Mitteln gegen das, was manche Ideologen die „säkulare Stagnation“ des Kapitalismus nennen, gegen eine sich hartnäckig durchsetzende Tendenz der Erlahmung (die zweifellos jedenfalls in den reichen Ländern zu beobachten ist.) Beispielsweise sorgt die konsequente Umstellung der Stromproduktion  auf Windräder und Solarpanels samt den entsprechenden neuen Netzen für eine enorme Masse an neuen Investitionen, Kapitalbewegungen und den damit ausgelösten Profiten, die das Gesamtsystem des deutschen Kapitalismus niemals erhoffen dürfte, würde man einfach die etablierten Kraftwerks und Netzsysteme weiterbetrieben und weiter entwickeln. Die erforderlichen neuen Kapitalmassen bringt die breite Bevölkerung über Strompreise auf, die ihr gesetzlich auferlegt werden. Der Nutzen der Windräder und Solarpanels für die Umwelt hält sich, milde ausgedrückt, in Grenzen; er geht ins Negative, wenn man einrechnet, welcher Rohstoffverschleiß, welche umweltschädlichen Produktionen für diese Anlagen erforderlich sind.

Auf diesem Gebiet, wie auch auf anderen wie z.B. dem der Verkehrswende, muss man die umweltpolitischen Propagandaformeln kritisch betrachten und den kapitalistischen Hintergrund, den wahren Antrieb, beleuchten.

Hier noch ein weiterer, ausführlicherer Versuch zur Begriffsklärung, weiterhin vorwiegend am Beispiel Deutschlands.

Der Kapitalismus als Weltsystem heute beruht einerseits auf sich ständig rasch weiter entwickelnder wissenschaftlich-technischer Basis  und andererseits auf primitiver imperialistisch-neokolonialer Vernutzung hunderter von Millionen von „Arbeitskräften“. Die eine Tendenz – zu immer höherer Vergesellschaftung und allgemeiner Kultur – vernichtet die Logik der Lohnarbeit und des privaten Profits, die andere verstärkt sie. Dies gilt allgemein. Wenn man diesbezüglich gewisse Besonderheiten Deutschlands besonders in den Blick nimmt, kommt die Analyse hoffentlich etwas weiter.

Die Fähigkeiten, Wissenschaft und Technik mit kapitalistischen Produktions- und Verteilungsstrukturen zu integrieren, sind in unserem Land historisch sehr stark ausgeprägt.  Heute  kann man bspw. verzeichnen, dass der deutsche Kapitalismus  international bspw. in Form seiner „hidden champions“ eine besondere Stellung einnimmt: abgesehen von einer Reihe international relativ bekannter Großkonzerne und ihren – gemischten – Erfolgsgeschichten sind viele deutsche Firmen derzeit – noch – Weltmarktführer auf zahlreichen Gebieten. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl kann kein anderes Land hier mithalten. Und wie kaum ein anderer nationaler Kapitalismus hat der deutsche von der Globalisierung der letzten Jahrzehnte profitiert; er hat nicht nur seine Technik weltweit wie nie zuvor verkaufen können, sondern hat auch die billige Arbeitskraft aller Herren Länder weidlich ausgenutzt.

 

Ich denke, dass man folgenden Denkansatz ausbauen könnte: als ein in diesem Sinne  der wissenschaftlich-technischen Revolutionierung  besonders erfolgreicher Kapitalismus reagiert der Kapitalismus in Deutschland auch  besonders empfindlich gegen seine eigene Tendenz, sich selbst obsolet zu machen. Der US-Kapitalismus brilliert vergleichsweise eher aufgrund seiner Übermacht im internationalen Finanzwesen sowie in bestimmten IT-Anwendungen, bspw. im Militär und in der sozialen Kontrolle und Steuerung.

Ferner gilt: wenn die Globalisierung wankt und splittert, schrumpfen für das deutsche Kapital sowohl der weltweite Markt für seine Technik wie auch das Reservoir billiger Arbeitskräfte; beide Standbeine werden unsicher.

Aus  solchen Grundkonstellationen könnte man zu erklären versuchen sowohl seine Geschocktheit durch Trumps Politik (die wiederum v.a. aus dem kapitalistischen Wettkampf um die Welthegemonie zu erklären ist) und seinen vehementen Widerstand dagegen,  als auch seine in der letzten Zeit besonders forcierten Anstrengungen, sich disruptiv neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Deutschlands Politik tendiert, ganz allgemein gesprochen, heute zur Forcierung der disruption. Das deutsche politische und mediale System forciert, nach dem früheren sog. Kampf gegen die Kernenergie, nun die „Dekarbonisierung“ z.B.  mittels merkwürdiger Massenmobilisierungen wie am Hambacher Forst, es forciert bspw. sog. Dieselskandale zwecks  gründlicher disruptiver Umkrempelung der Autobranche –  Millionen von Autos werden entwertet und müssen durch teure Neukäufe ersetzt werden. Gerichte beschließen Verkehrsschikanen, um die Umrüstungen rascher zu erzwingen.

Zwar sind abgasfreier Verkehr und Stromerzeugung zweifellos ein Fortschritt, der sicher den allermeisten Bürgern zugute kommen wird, aber es ist auch andererseits zu fragen, zu welchem Preis. Wie schnell kann dergleichen vernünftigerweise gehen, wie ausgereift sind denn die neuen Techniken?  Wie stark werden die Arbeitsverhältnisse zulasten der Beschäftigten erschüttert? Wie verlässlich sind die neuen internationalen Lieferketten insbesondere in Zeiten zunehmender internationaler Spannungen und Kriegsgefahren? Gas aus Russland? Lithium aus Bolivien?

Das alles ist für Medien und Politik jedoch in Kauf zu nehmen; man spricht nicht gern ausführlicher und tiefergehender darüber, denn die Gefahr liegt ja angeblich in Klimaproblemen, für deren – noch viel angeblichere – Linderung die sozialen Gemeinheiten in Kauf genommen werden müssten.

Der ursprüngliche und grundlegende Impuls der „grünen“ Richtung, die sozialen Probleme klein zu schreiben und eine sog. Erhaltung der Natur zur absoluten Dominanz zu erheben, kommt heute in allen offiziellen Parteien voll zur Geltung, und das ist letztlich darauf zurückzuführen, dass der Kapitalismus um sein Weiterleben kämpft. Davon sind gerade die Sozialdemokratie und ihre „linken“ Anhängsel heutzutage lebende Zeugnisse. Ihr inneres politisches Leben haben sie weitgehend der Unterordnung unter die Verwertungslogik des Kapitalismus geopfert, anders ausgedrückt, unter die perversen Verrenkungen des Kapitalismus.

Wir sind Zeugen blamabler Verfallserscheinungen, die für ein Land der wissenschaftlich-technischen Kultur fast unglaublich anmuten. Es verfallen die Infrastrukturen des Verkehrs, die Straßensperrungen und Staus nehmen ständig zu, die Bahn und der Flugverkehr wackeln bis zur Lächerlichkeit, und was vielleicht am schwersten und langfristigsten sich auswirkt: das  Bildungssystem wird nach unten reformiert. Am Hambacher Forst demonstrieren zigtausende, ständig wird das Thema in den Medien am Kochen gehalten, aber um die burnouts Zehntausender Lehrer, den Analphabetismus von Studienanfängern, die Ahnungslosigkeit von Millionen von Schülern aufgrund  von finanziell heruntergewirtschafteten Einrichtungen und intellektuell versagendem Personal wird kaum Aufhebens gemacht.

Ein derartiges System fast undurchschaubarer Verlogenheit muss dem Aufkommen sog. Populisten Vorschub leisten. Großer Jammer der Offiziellen; aber sie sind selbst die Hauptverantwortlichen dafür, und sie sorgen dafür, dass die „Populisten“ ihrerseits auch nur wieder anders getönte Fassaden des gleichen Kapitalismus bieten dürfen.

 

Ein weiteres Thema, das die öffentlichen Meinungen Deutschlands durchschüttelt, ist die Migration.

Es sind unmittelbar kapitalistische Ursachen zu unterscheiden von solchen, die in der aktuellen internationalen Lage entstehen: 1. das demografische Problem, das sich die deutsche Politik in fünf Jahrzehnten selbst geschaffen hat nach dem Motto: eigener Nachwuchs kostet mehr Geld als importierter. 2. Der globalistische Neokolonialismus: die armen Länder können ihre Probleme nicht in den Griff bekommen (abgesehen davon, dass in vielen die „Eliten“ daran auch nicht interessiert oder in der Lage sind), und Abwandern wird vielen Menschen als die einzige „Lösung“ nahegebracht. 3. Die akuten Kriegszuspitzungen v.a. im Vorderen Orient, die vom Herrschaftsanspruch des – bislang noch – führenden Kapitalismus, dem der USA mit einigen Abhängigen und Verbündeten im Schlepptau zu verantworten sind.

(Das Thema „Deutschland und Migration“ habe ich in zwei Beiträgen ausführlicher zu erfassen gesucht, beide mit besonderem Blick auf die Politik Angela Merkels. Der erste befasst sich vor allem mit negativen Folgen in Sozialstruktur und Kultur des Landes durch Merkels radikale Entscheidung im Jahre 2015. in dem anderen gibt es einen Absatz, der sich  bemüht, deren geostrategische Logik in einem für die EU und Deutschland positiven Sinn zu würdigen.)

Bestimmte innere  Probleme Deutschlands werden durch die Migration teils verschärft, teils gelöst. Der Arbeitskräftemangel wird gemildert, die Verwertungsprobleme des Kapitalismus gelindert durch Investitionen und neue Beschäftigung in der Betreuung und Eingliederung von Migranten. Soziale Reibungsflächen nehmen hingegen zu. Die ansässigen Abgehängten werden teils schlechter behandelt als Migranten; zivilisiertes Benehmen im Sinne der hier üblichen standards fällt manchen Migranten schwer, weil in ihren Herkunftsländern andere gelten, meist nicht die besten;  und auch weil manche es nicht wollen, z.B. wegen patriarchalischer und sozial-separatistischer Gewohnheiten aus ihren Herkunftskulturen. Manche  bilden gern separatistische reaktionäre Subkulturen. Solche Phänomene sorgen für berechtigten Unmut.

Die Migration ist ein weiterer Einhakpunkt für bestimmte „Populisten“, den ihnen die kapitalistischen Entwicklungen bieten – ohne dass sie diese reflektieren wollen.

 

Es gibt, das sei schließlich noch gestreift,  eine verbreitete Sorge um den generellen Verfall sittlicher und kultureller standards, von denen keineswegs alle obsolet sind. Man kann durchaus  mit Sorge das Umsichgreifen von primitivem asozialem Egoismus beobachten, wie etwa in den Beziehungen der Geschlechter oder im Straßenverkehr.

Nicht alle besorgten Äußerungen des sog. Wertkonservatismus sind bloß rückschrittlich. Wenn in den dominierenden Medien, in politischen Verlautbarungen, in manchen Entwicklungen innerhalb der Pädagogik bspw. auf dem komplizierten Feld der Beziehungen zwischen den Geschlechtern lediglich der individuelle Lustgewinn herausgestellt wird, dann handelt es sich um den Angriff kapitalistische Dekadenz und kapitalistische Primitivismus‘, der fälschlich als Emanzipation ausgegeben wird.

Der Kapitalismus tendiert dazu, alles in Warenbeziehungen umzuformen. Wenn in den Beziehungen der Geschlechter nur noch die Norm: ‚was bringt mir das‘ , gelten soll und soziale und kulturelle Modelle wie die Liebe, die geschlechtlich fundierte Paarliebe wie auch sozial fürsorgliche Grundeinstellungen als überholte Phantasien abgetan werden, Modelle, die sich in der westlichen Hochkultur in Jahrtausenden herausgebildet haben, dann ist das kein gesellschaftlicher Fortschritt, sondern das Gegenteil. Selbstverständlich sind alle kulturellen Werte dem historischen Wandel unterworfen, und es wäre bspw. lächerlich, für bestimmte in der Vergangenheit dominierende Familienformen weiterhin normative Geltung zu beanspruchen. Doch statt der Arbeit an der Weiterentwicklung  sozialer und kultureller Werte sie sämtlich als altes Eisen abzutun ist mindestens so dumm wie ihre Verhimmelung.

 

Ich habe im Obigen mich bemüht, einige der jetzt ständig präsenten Hauptaufreger der deutschen Politik auf ihre Verwurzelungen im Kapitalismus überhaupt und genauer im globalisierten Kapitalismus der letzten Jahrzehnte hin zu analysieren. Meiner Ansicht nach kommt man nicht weiter in der Sozialpolitik, in der Kritik an den offiziellen Parteien und Medien, z.B. in der Kritik an Merkels Regierungsperiode, aber auch an den dummen sog. „Populisten“, diesen ohnmächtigen und teilweise übelwollenden Produkten und Funktionen des globalisierten Kapitalismus selbst, wenn man nicht so oder so ähnlich ansetzt. Was bringt es, über den Verlust nationalstaatlicher Souveränität zu klagen, wenn man nicht die kapitalistischen Antriebe thematisiert?

Wir brauchen jetzt große Anstrengungen sozialer Verantwortlichkeit im globalen Maßstab; viel politisches Verständnis für die internationalen Spannungen; große Anstrengungen für die Verteidigung und Weiterentwicklung vieler europäischer kultureller und sittlicher Errungenschaften gegen bestimmte kapitalistische Grundtendenzen.

 


Der Beitrag wurde inzwischen mit einigen Verweisen auf frühere Beiträge und den entsprechenden links ergänzt. (30.12.18)

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Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

 

 

 

 

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