Vorder- und Hintergründe in der Coronapolitik

In Italien und vielleicht auch anderswo haben sich massenhaft unmenschliche Dinge abgespielt. Viele Kranke hat man ohne Behandlungsversuch sterben lassen, man hat sie einfach abgestellt, Besuch durften sie nicht bekommen – ob sie überhaupt Morphium bekommen haben, um die Erstickungsqualen zu überdecken, wird nicht berichtet -, und dann hat man die Leichen einfach verbrannt,  ohne Rücksicht auf die Hinterbliebenen.

Die Lebenden seien in ihren grundlegenden gesellschaftlichen Kommunikationen blockiert durch Ausgangssperren, die radikaler seien als je in Faschismus und Krieg seinerzeit verhängt. Da aber Gesundheit nicht rein biologisch-individuell-maschinell definierbar sei, sondern auch gleichzeitig ein sozialer, mitmenschlicher Prozess, mache die Untersagung aller realen Kontakte die Menschen kränker als die Epidemie es vermöchte – so etwa die Kritik des italienischen Denkers Giorgio Agamben in der NZZ.

In Deutschland begründet die Bundesregierung ihre Politik damit, derartige Entwicklungen vermeiden zu wollen. Darin wird ihr fast jeder folgen können, doch ob das der einzige oder der tatsächliche Hauptgrund ist, kann in Frage gestellt werden.  Die Begründung der Regierung heißt in etwa: die Maßnahmen bezwecken, eine zu rasche und zu heftige Zunahme der schweren  Erkrankungen zu verhindern, damit das Gesundheitssystem nicht in ähnlicher Art wie in Italien  überlastet wird und sich dann gezwungen sähe, viele Menschen ohne Chance auf Behandlung einfach sterben zu lassen.

Auch was die Kommunikation im allgemeinsten Sinne zwischen den Menschen betrifft, ist man in Deutschland weniger radikal. Man kann sich – bislang – als Einzelner, im Duo oder als Familie in der Öffentlichkeit relativ frei bewegen, man kann sich mit anderen – wenn auch auf 1,5 oder 2 m Distanz – unterhalten….

Die Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden scheint bisher gelungen – allerdings wird mittlerweile auch in Frage gestellt, ob die Rechnungen überhaupt gestimmt hatten, dass die Überlastung eine alles übersteigende Gefahr sei.

Auch wenn man es als einen politischen Erfolg werten will, dass dies in Deutschland (und einigen anderen EU-Ländern, teilweise mit einer anderen Politik) gelungen sei, sind die hierfür getroffenen Maßnahmen doch derart radikal gegenüber der Gesellschaft, dass durchaus von Gefahren für zivilisatorische Standards gesprochen werden muss. Sollen im Zuge einer ­- vordergründig gegen eine Pandemie gerichteten – umfassenden Kampagne der Gesellschaft andere Wertmaßstäbe und Gesetze aufgedrückt  werden, die man offen nicht zu propagieren wagen würde?

Auf welchen Gebieten springen solche Fragen z.Zt. besonders ins Auge?

  1. Kita, Schule und Bildung. Kinder, bis hinauf zu den Abiturienten, sind auf direkten Umgang mit ihresgleichen, auf die tatsächliche Gegenwart der Erzieher, auf die sinnliche persönliche Kommunikation in allen diesen Bereichen und allen Dimensionen angewiesen. Das kann nicht ersetzt werden durch digital reduzierte, entsinnlichte, schematisierte Kommunikation. Man kann für eine paar Wochen gewisse Elemente von Unterricht retten über die Bildschirme, doch schon hier beginnt die Zerstörung direkt, je nachdem wie gut die Jungen mit dem maschinisierten Verabreichen und Durchkauen von Lernstoff klarkommen; hier sind anscheinend die ohnehin Benachteiligten und Schwächeren die ersten Opfer.

Dass es für die stärkere Digitalisierung in Schule und Hochschule unmittelbare Profitinteressen gibt, liegt auf der Hand. Zweifellos hinkt, das muss man zugeben, die Digitalisierung in Deutschlands Schulen hinter den recht verstandenen pädagogischen Erfordernissen her, es muss auf verschiedenen Gebieten mehr davon geben; aber was sich jetzt mit dem Schul-Shutdown zeigt, ist eine pädagogisch negative Maschinisierung, eine weitere Dimension der Kulturzerstörung. Diese kann mit Profitinteressen von Digitalfirmen nicht zureichend erklärt werden, dahinter stehen Herrschaftsinteressen.

Am Rande: wenn jetzt aus Lehrerkreisen Befürchtungen geäußert werden, dass man selbst mit den kleinen partiellen Wiederaufnahmen von Unterricht in den Schulräumen überfordert sei, wie sie in mehreren Bundesländern dieser Tage doch beginnen sollen, fragt man sich doch erneut, ob nicht massive Defizite in Arbeitsmoral und pädagogischem Verständnis in erheblichen Teilen der Lehrerschaft zu verzeichnen sind. Nachdem viele dieser hochbezahlten Leute es Jahr um Jahr hingenommen haben, dass es für die Schüler nicht einmal saubere Toiletten und Seifenspender in ihren Schulen gibt, ist es allerdings nachzuvollziehen, dass sie das Wiederauftauchen von ein paar Schülern in Coronazeiten mit Schrecken erfüllt….

  1. In der Ökonomie werden derzeit Millionen „kleiner Existenzen“ gefährdet und viele tatsächlich zerstört werden. Das gesellschaftliche Elend wird drastisch ausgeweitet. Millionen werden die Regierungen noch zur Rechenschaft ziehen mit der Frage, ob das notwendig war. Ferner findet eine tiefgreifende Umdefinition der zentralen Kategorie „Geld“ statt und werden zentrale Bürokratien wie die Europäische Zentralbank weiter ermächtigt, die bisherigen Maßstäbe der Ökonomie außer Kraft zu setzen. Auf diese Zusammenhänge kann ich hier nicht näher eingehen.
  2. Digitale Überwachung der Bevölkerung und ihre Steuerung
  3. Gefahr der Etablierung des politischen Notstandsregimes

Die Punkte 1-4 treffen alle europäischen Länder, auch diejenigen wie Deutschland, wo die Überlastung der Gesundheitssysteme und solche krassen direkten Brutalitäten wie in Italien bisher anscheinend vermieden wurden (und natürlich hoffentlich weiter vermieden werden können).

Meine Frage zur Coronapanik war von Anfang an: ist die Sorge um die Überlastung der Gesundheitssysteme auch deswegen so stark betont worden, um solche gesellschaftlichen Grundveränderungen schubartig voranbringen zu können? Oder, etwas vorsichtiger formuliert: lässt die Merkel-Regierung diese Grundtrends gewähren – gibt ihren Protagonisten relativ freies Feld -,  und konzentriert die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf die engeren, epidemiologischen/krankenhaustechnischen Aspekte?

Merkels politische Grundsätze, Ziele und Methoden sind in dieser Lage wiederum von großem Einfluss, aber nach wie vor schwer zu bestimmen. Meinen Beobachtungen zufolge lässt sie im allgemeinen die unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte, bspw. die innerhalb des Kapitalismus (z. B. Finanzialisierung vs. Unternehmertum), auch  die Kräfte innerhalb des politischen Geschehens (bspw. mehr pro-, mehr anti-EU) sich entfalten und aneinander abarbeiten, wobei sie den Überblick behält, moderiert (gelegentlich auch eingreift, wenn ihr jemand zu dominant wird); aber gelegentlich haut sie auch einmal einen gordischen Knoten entzwei, so in der Energiefrage 2011 und der Flüchtlingsfrage 2015 und diktiert allen eine Richtungsentscheidung.

In der gegenwärtigen Corona-Situation agiert sie meinem Eindruck nach bisher wieder eher moderierend. Das ist mE durch die objektiven Bedingungen fast erzwungen, denn das Wissen über die medizinischen Aspekte ist noch schwach, es gibt dazu mehrere Entwicklungsperspektiven, und die sozialen Aspekte sind so neu, dass auch erst Erfahrungen gesammelt werden müssen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die radikalen, im kapitalistisch-egoistischem Sinne und im politisch-autoritären Sinne die Gesellschaft verändernden Kräfte  bereits ihre Pflöcke eingeschlagen haben bzw. gerade dabei sind es zu tun und danach nicht mehr oder nur schwer zurückzudrängen sind. Das muss man kritisch ins den Blick nehmen z.B. auf dem Gebiet Erziehung und Bildung, auf dem Gebiet digitale Überwachung und Steuerung, und auf dem Gebiet der Schuldenwirtschaft bzw. der Umdefinition der Kategorie Geld. Auch das Thema politische Rechte, bzw. Notstand, befindet sich in Entwicklung.

 

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Sollten in den nächsten Wochen die wirtschaftlichen und v.a. die wesentlichen sozialen Aktivitäten (Kindergärten, Schulen, Unis, Kultur) sich wieder deutlich beleben und die Einschränkungen vermindern, muss man die enormen Schwächen angehen, die sich in den letzten Monaten gezeigt haben. Ich meine zunächst einmal die EU.

Die Drucksituation für die Regierungen in der EU war und ist durch verschiedene unverzeihliche Mängel überhaupt erst so drastisch geworden, bzw. sie konnte nur dadurch einigermaßen drastisch öffentlich dargestellt werden: Mängel im Gesundheits- und insbesondere im Altenpflegesystem; zu geringen Krankenhaus-Kapazitäten wie in Italien, unzureichende Vorräte  für den allgemeinen Gesundheitsschutz (Medikamente, Schutztextilien etc.). Diese Mängel müssen in den nächsten Phase angegangen werden, denn dies war nicht die letzte Pandemie.

Auf einer höheren Ebene, und einer viel schwierigeren: man muss damit rechnen, dass spätestens ab jetzt das politische und gesellschaftliche Zerstörungs- und Veränderungspotential von Pandemien bzw. Pandemie-Paniken durch internationale Mächten gezielt eingesetzt werden wird, m.a.W. es geht bereits um biologische Kriegführung. China hat es gegenüber der EU bereits im Ansatz erprobt: man lässt ein Virus entstehen und sich zunächst auch international verbreiten, bringt es in polit-theatralischer Manier im eigenen Land unter Kontrolle und nutzt die anscheinende Schwäche der EU angesichts des Überfalls mit dem Virus alsdann aus, um die EU zu spalten zu versuchen, Italien noch stärker zu kolonisieren etc. und sich als weltweiter starker Führer zu präsentieren.

Daraus haben Autoren bereits gefolgert, dass die EU (auch gegenüber der WHO) unabhängiger werden müsse. Sie müsse eigenständig Wissen erwerben, wo und wie Seuchenerreger und Seuchen  entstehen, wie sie auf die EU einwirken und wie sie autonomer  bekämpft werden können. Das erfordere u.a. bessere eigene, auch geheime Informationsgewinnung international.

Vor allem ist die kritische Aufarbeitung dessen, was die Regierungen in den letzten Monaten an politischen Veränderungen eingeleitet haben, erforderlich. Die Gesellschaft muss um ihre kulturellen Belange, um ihre Freiheit gegenüber datenkapitalistischen und datenbürokratischen, überhaupt gegenüber  autoritären Anmaßungen kämpfen.

Die internationalen, die globalen Fragen, die Fragen der internationalen Ausbeutung und der Entwicklungen zwischen arm und reich, im Inneren der Länder und global, hatten bereits vor Corona stärkere  Beachtung gefunden, aber „Corona“ wird ihre Dringlichkeit hoffentlich in vielen reichen Ländern stärker verdeutlichen.


 

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