Die internationalen Zusammenhänge und die deutsche Froschperspektive

[Vorbemerkung:

Den folgenden Text habe ich vor kurzem in deutschsprachige Kanäle gepostet, die sich mit dem Widerstand gegen die Coronadiktatur befassen. Dort sieht man meinem Eindruck nach zu wenig auf das Grundsätzliche, das Globale, das Kapitalistische. Entsprechend etwas kurzsichtig sind manchmal die Ideen zum eigenen Vorgehen.

Manchmal finden sich allerdings auch in der deutschsprachigen Welt der kritischen Medien bessere Beiträge. Einer davon erschien am 13.11.21 im Internet-magazin „scharf links“ unter dem Pseudonym „Iwan Nikolajew“.  In „scharf links“ gibt es meist nur Beiträge von Umwelt- und Tierschützern, aber auch Ausnahmen. „Nikolajew“ hatte dort meines Wissens bereits früher zwei Beiträge veröffentlicht.

Hier mein Text, den ich bei der „Freien Linken“ gepostet habe, um Kerngedanken seines jüngsten Beitrags bemerkbar zu machen. „Nikolajew“s Original ist leider schlecht zu lesen, 23 Seiten lang und voller Wiederholungen. Ich hoffe, der Autor wird mir verzeihen, wenn in meiner gerafften Wiedergabe Vereinfachungen unud Kürzungen vorkommen. Ich erlaube mir auch die Bemerkung, dass verschiedene von ihm festgestellte Zusammenhänge auch von anderen so oder ähnlich beschrieben wurden, dies auch nicht erst seit gestern, darunter auch von mir. ]

Die internationalen Zusammenhänge sind weiterhin innerhalb des Widerstands in Deutschland zu selten Thema.

Der Mangel an Wissen über das internationale Geschehen und dessen bestimmenden Einfluss auf die Politik im deutschen und europäischen Rahmen behindert und verzerrt unsere politischen Wahrnehmungen. Aus der Froschperspektive kann keine gute Politik entstehen.

Im Widerstand ist zwar immer wieder ein Gefühl für unsere Verbundenheit mit der „Menschheitsfamilie“ zu spüren, aber das genügt nicht.

Woher kommen Probleme wie Unterbrechungen der Lieferketten, Knappheiten und Preissteigerungen, Grenzschließungen, der Aufbau von internationalen Feindschaftsbildern in den Medien und Forderungen nach militärischer Stärke? Gibt es innere Zusammenhänge zwischen der autoritären Coronapolitik, der Inflation, der Klimapolitik und den Kriegsvorbereitungen? Mit welchen möglichen Entwicklungen im größeren internationalen Rahmen sollten wir uns auseinandersetzen?

Vor einigen Tagen ist ein neuer Beitrag von Iwan Nikolajew (Pseudonym) erschienen unter dem Titel „Neuzusammensetzung des Kapitals im ‚Grünen Kapitalismus‘ “, worin innere Zusammenhänge solcher Probleme zum Thema gemacht werden.

Der Beitrag ist leider wegen vieler Redundanzen überlang und großenteils in einer, der Marxschen ökonomischen Theorie entlehnten, abstrakten Begrifflichkeit abgefasst; daher dürfte er unter uns kaum Leser finden, deren Geduld und Vorbildung sie für eine fruchtbringende Lektüre qualifizieren.
Aber er ist es vom Inhalt her wert, deshalb versuche ich Elemente desselben kurz und vereinfacht zu benennen und für unsere weitere politische Diskussion zu empfehlen.

Nikolajew sieht den seit einiger Zeit immer offenkundiger werdenden Zusammenbruch der imperialistischen Hegemonie der USA und deren Herausforderung durch das kapitalistische China als den zentralen globalen Prozess. Die bisherige unipolare Weltordnung, geprägt durch den Neoliberalismus, das weltweit relativ ungehinderte Ausgreifen des westlichen Kapitals und die militärische Dominanz der USA, wird ersetzt durch eine multipolare. Es bilden sich untereinander konkurrierende und verfeindete Blöcke heraus.

Die deutsche kapitalistische Ökonomie war und ist noch immer von einem in dem bisherigen Sinne funktionierenden Weltmarkt hochgradig abhängig; ihre internationalen Absatzmärkte, ihre Investitionen und ihre Zulieferungen werden durch die Tendenz zur Multipolarität und strengeren Grenzziehungen nun aber fundamental in Frage gestellt. Daher greift die deutsche Bourgeoisie zur Sicherung ihrer Akkumulation nun massiv nach innen zu. Sie erhöht die Ausbeutung und beschränkt die gewerkschaftlichen und politischen Aktionsmöglichkeiten der „Arbeiterklasse“ – womit Nikolajew sicher etwas Anderes, viel Breiteres als die frühere hochkonzentrierte industrielle Arbeiterschaft meint.

Die Coronamaßnahmen führen ein in die neue Welt allgegenwärtiger Kontrollen und verschärfter Ausbeutung der Arbeitskraft.

Im Einzelnen:
Zum Verfall der USA als Hegemon notiert Nikolajew bspw. Folgendes:
„Der Zusammenbruch des neoliberalen Weltmarktes ist eine Hegemonie-Krise innerhalb der imperialistischen Kette und ist konkret der Zusammenbruch des US-Imperialismus als hegemonialer Imperialismus.“ (9)
Wir haben ein „Durchgangsstadium zu einem neuen Hegemon“, der den Weltmarkt neu ordnen würde.

„Ein neuer Hegemon entsteht nur aus einer innerimperialistischen Konfrontation, welche sich in Form eines Dritten Weltkrieges oder durch eine Kette von imperialistischen Kriegen unmittelbar in den Metropolen oder indirekt in der Peripherie vollziehen kann.“ (9)

China sei gegenwärtig der härteste Konkurrent des US-Imperialismus (11). Derzeit seien die USA zwar noch der größte Exportmarkt Chinas und China sei der größte Gläubiger der USA. Aber China stoße in den Bereich der „kompliziert-zusammengesetzten Arbeit“ vor [gemeint ist vor allem Arbeit, die höchstqualifiziertes und kreatives Personal und spitzenmäßige wissenschaftlich-technische Grundlagen erfordert. Meine Anm.,wgr.] und bedrohe der Vorsprung der USA. „Wenn der Wirtschaftskrieg gegen China [der dieses Vorankommen Chinas verhindern soll, Anm. wgr.] scheitert, kann der US-Imperialismus nur auf den Krieg zurückgreifen und riskiert dann den Dritten Weltkrieg.“ (11) Nur so könne, und zwar innerhalb einer begrenzten Zeitspanne, solange er noch militärisch überlegen sei, der US-Imperialismus noch Chinas Aufstieg aufhalten. Jedoch schütze der russische Imperialismus mit seinem thermonuklearen Arsenal China.

Je länger aber die USA mit dem Angriff zögere, desto stärker werde der „eurasische Kapitalismus, der sich zentral um Russland und China bildet.“ (11) Dieses Dilemma könnte den US-Imperialismus veranlassen, eher früher als später zuzuschlagen.

Es gebe auch einen „transatlantischen Wirtschaftskrieg“ gegen China, der verdeckt geführt werde unter dem propagandistischen Vorwand, nur noch Investitionen in saubere Produktion zu tätigen. (12)

Auch die Überschuldung¸ die Dominanz der Finanzspekulation im Westen wird von Nikolajew erwähnt: Das „mehrwertheckende Kapital [ist] nicht mehr in der Lage [..], das fiktive Kapital zu tragen, das sich in einer Quantität ausgedehnt hat, daß [es] in keinem Verhältnis mehr zum produzierten Mehrwert steht.“ (5)

Zur besonderen Problematik Deutschlands:

Im deutschen Modell überwiegen die Weltmarktsektoren über die Binnenmarktsektoren (6). Aber die neoliberalen Lieferketten werden nun multipolar zerrissen (8). Es entsteht Inflationsdruck, weil Roh-und Betriebsstoffe wie auch fertige Vorprodukte nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, aber auch weil die Spekulation des fiktiven Kapitals die Rohstoffpreise nach oben hebelt. (8)

„Vor allem der US-Imperialismus kontrolliert die Transportwege der strategischen Rohstoffe und ist kein enger Verbündeter des deutschen Imperialismus mehr“. (9)

„Die Energieversorung ist die Achillesferse des deutschen Imperialismus.“ Atomkraft sei keine Lösung, weil auch Uran bzw. Plutonium nur bei Konkurrenten und über Transportwege zu erhalten seien, die er selber zu schützen zu schwach sei. Daher greife Deutschland verstärkt auf die sog. Erneuerbaren Energien zurück. [Diese Bemerkungen Nikolajews sind mE etwas oberflächlich. Warum die deutsche Bourgeoisie die Kernenergie ablehnt und warum sie auf sog. Erneuerbare setzt, hat wesentlich andere Gründe. Das könnte einmal genauer untersucht und innerhalb der Linken und innerhalb des Widerstands diskutiert werden, Anm. wgr.]
„Weil die regenerativen Energiequellen kein Ersatz für die konventionellen Energieträger sind, bleibt eine Entspannung in der Energiefrage zwischen den Metropolen unmöglich.“ (10)

Im Zusammenhang der Feststellung, dass Produktionsverlagerungen nun riskanter werden, konstatiert Nikolajew: „Damit ist die materielle Basis für einen verstärkten proletarischen Widerstand gegeben.“ (8) Um den zu verhindern, greife der bürgerliche Staat stärker in den Klassenkampf ein. (8) Nikolajew erörtert hier ansatzweise auch die Rolle der Bundesbank. Bei hohen Lohnforderungen könne diese die Zinsen erhöhen und die Akkumulation deutlich abschwächen; damit drohe aber das Platzen der Immobilienblase und eine deflationäre Spirale (9)

Das Gesicht des restrukturierten bzw. zu restrukturierenden deutschen Kapitalismus sei grün. Mit „Umweltschutz “ und „Klimaschutz“ werde „versucht, eine Massenlegitimation für eine Deflationspolitik zu organisieren“(2). Der Verzicht der Massen auf soziale Verbesserungen erscheine als Sachzwang. Sowohl Corona als auch Klima erzeugten einen nationalen Notstand, eine Gefährdung der nationalen Sicherheit, „Dann gibt es keine Rechte mehr, sondern nur noch Pflichten.“ (2) Wer die nationale Sicherheit gefährdet, fällt unter das Feindrecht. Damit wird das Militär zum zentralen Staatsapparat. Wer auch nur die falsche Gesinnung erkennen lässt, wird nicht mehr als bloßer „Störer“, sondern kriegsmäßig bekämpft. Die Bourgeoisei spreche vom “Krieg gegen das Virus“, gemeint sei der Krieg gegen die Träger des Virus, gegen die Arbeiterklasse.

Auf das „bisher normale Verhalten der Arbeiterklasse“ [Nikolajew meint wohl Lohnforderungen, soziale Absicherung und entsprechendes gewerkschaftliches Handeln] richte die Bourgeoisie. nunmehr einen sicherheitspolitischen, einen psychiatrischen Blick (3). Der Datenschutz der Arbeiterklasse wird auf dem Weg der Verpflichtung zur Offenlegung des Impfstatus zerstört (4).

Nikolajew kommt später im Text noch einmal auf das Thema innere Repression (als komplementär zum äußeren Kriegszustand) zurück, auf die Flexibilisierung der Arbeiterklasse vermittels der jobcenter und der Impfausweise bzw. Passierscheine, wodurch der Ausbau zu einem quasi chinesischen Sozialkredit-System möglich werde. (13) Das gesamte Verhalten wird hinsichtlich möglicher „Sicherheitsrisiken“ durchleuchtet, die von der beteffenden Person ausgehen könnten (14). Jedwede Weitergabe von Informationen oder Diskussionen innerhalb der Arbeiterklasse oder der Bevölkerung über die Lage werden erschwert und sanktioniert mit der Anschuldigung, „Geheimschutz“ zu verletzen. (16)

Nikolajew schließt mit einer kurzen Skizze einer „proletarischen“ Gegenstrategie, die allerdings höchst abstrakt und in der aktuellen Situation auch realitätsfremd erscheinen mag.

Anm: die Seitenzahlen beziehen sich auf meinen Ausdruck des Nikolajewschen Textes. Wessen Gerät den Text anders formatiert, bekommt auch andere Seitenzahlen.

 

 

 

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